Beziehung...

veröffentlicht von Esmeralda, geändert am
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Langsam habe ich ja ein wenig Abstand zu den Ereignissen, die mein Leben doch recht dramatisch verändert haben: Trennung und Scheidung. Und jetzt, fast vier Jahre nach der Trennung und zweieinhalb Jahre nach der Scheidung habe ich ausreichend Abstand, um einfach mal über das nachzudenken, was wir im Allgemeinen so steril "Beziehung" nennen.

Was ist das eigentlich, eine Beziehung? Das Wort kann alles bedeuten vom mathematischen Verhältnis zwischen zwei Zahlen über die grammatikalischen Bezüge in Satzgefügen bis hin zu allem, was so zwischen Menschen passieren kann. Beziehung ist alles und nichts. Nicht greifbar, nebulös, ungewiss. Oft genug geht es um Liebe - aber das traut sich niemand wirklich sagen. Liebe ist so absolut, so konkret, so ausschließlich. Liebe ist für viele Menschen Verpflichtung und damit Last. Nein, lieber keine Liebe, damit kommt man sich doch zu nahe. Oder nicht?

Alle Märchen, Theaterstücke und Filme, die sich damit beschäftigen wie zwei Menschen sich ineinander verlieben (und eher romantisch als sozialkritisch sind), enden damit, dass "sie sich kriegen" und fortan glücklich leben bis an ihrer Tage Ende. Wie dieses glückliche Leben aussieht, darauf wird nicht eingegangen, weil es ja klar ist: Glücklich. Na, ganz so geht es nicht.

Was mich anbelangt, so bin ich im Gespräch mit mir selbst und anderen Leuten, die sich - aus welchen Gründen auch immer - von ihren Partnern (früher gab's da mal das Wort "Geliebte", das benutzt auch niemand mehr, oder?) getrennt haben, zu dem Schluß gekommen, dass drei emotionale Zustände in dieser doch recht verstandesbetonten, möglichst gefühlsfreien Welt oft und gern gründlich verwechselt werden: Begehren, Verliebt sein und Lieben.

Begehren hat zunächst mal mit Liebe sehr wenig zu tun. Das ist eher ein Haben-wollen, Besitz ergreifen. Meine Freundin, mein Freund, mein Mann, meine Frau (mein Auto, mein Haus...). Begehren hat durchaus auch einen sexuellen Aspekt, der vordergründig auch sehr wichtig erscheinen mag - es aber nicht ist. Wichtig ist das Besitzen. Ich habe ziemlich viele Menschen kennengelernt, die einfach nur beleidigt waren, weil sich die Person, die sie zu besitzen glaubten, von ihnen abgewandt hatte und gegangen war. In der Tat war es in diesen Fällen übermäßig häufig eine sehr beleidigte, wütende Reaktion, geboren aus verletztem (Besitzer-)Stolz.

Verliebt sein ist nun der Zustand, der einen trifft wie ein Blitz aus heiterem Himmel - meistens genau dann, wenn wir es am wenigsten erwartet haben und überhaupt nicht brauchen können. Das ist dieses berühmte Kribbeln im Bauch, von dem Pe Werner so hübsch sang und dessen Verblassen sie so sehr bedauerte. Wenn dieser Zustand über längere Zeit anhielte, würden wir vermutlich allesamt daran eingehen. Diese Masse an Hormonen hält kein Körper auf Dauer aus. Genau deshalb vergeht das auch; nachdem in diesem Land alles wissenschaftlich untersucht wird, gibt es dazu wohl auch Studien, denen zufolge das durchschnittlich nach drei Jahren eintritt. Wer Glück hat, erhält sich das aushaltbare Maß an Kribbeln im Bauch und trifft eine Entscheidung - nämlich für

Liebe. Guck. Da ist sie. Hat sich einfach von hinten angeschlichen. Liebe ist ein sehr vielseitiges, wandlungsfähiges Gefühl und braucht Pflege. Die Entscheidung, die man da trifft, ist zunächst nicht bewußt, sie wächst mit den Unterschieden, die zwischen Menschen nun mal immer vorhanden sind.

Liebe erhält sich nicht aus sich selbst wie Verliebtheit und Begehren. Liebe ist eine Entscheidung. Das muss man sich unbedingt klar machen, sonst steht man irgendwann da und stellt fest, dass sie durch die Hintertür hinaus ist und vorher noch ihre häßlichen kleinen Schwester hereingelassen hat: Die Wut, die Enttäuschung, manchmal sogar den Haß.

Wie pflegt man nun die Liebe, wie erhält man sie? Wie sorgt man dafür, dass sie bleibt und sich wohl fühlt? Schwierige Frage.

Man kann einfach mal damit anfangen, zu akzeptieren, dass auch die Liebe keine hellseherischen Fähigkeiten verleiht. Wer etwas braucht, muss darüber reden - ob es sich um Schokolade, einen Spaziergang oder einfach nur eine Zeitlang Ruhe handelt. Das allein ist schon ein recht schwieriger Akt, denn wir werden von Kindesbeinen an dazu erzogen, möglichst keine Bedürfnisse zu haben.

Die Zeit, die Eltern oder Geschwister mit einem verbringen können, ist begrenzt und meistens auch minutengenau eingeteilt. Das ist nicht neu, das war schon so, als ich noch Kind war. Also lernt man zu warten, zu verzichten - und irgendwann auch, einfach nichts mehr zu sagen. Aber - und da sind wir wieder bei den Märchen (also den disneyartigen): Irgendwann findet man einen Menschen, der weiß, was man braucht und den braucht man um nichts mehr zu bitten. Weit gefehlt, Freunde! Genau diesen Menschen _muss_ man um das bitten, was man braucht. Was man dafür zurückbekommt ist die Gewißheit, dass man bekommen wird, was man braucht. So funktioniert Liebe.

Gemeinsame Interessen haben und pflegen ist auch eine sehr gute Idee. Ob es dabei ums Lesen geht, um Sport oder um Parteipolitik ist von nachgeordneter Bedeutung. Aber man sollte etwas haben, was man gemeinsam er-leben kann und woran man Freude hat.

Es sollte auch jeder sein Ding haben. Eine Domäne, die nur einem selbst gehört. Etwas, wofür man sich vom Partner bestaunen, bewundern, beklatschen lassen kann, denn das gibt Raum für Respekt, für Achtung, für Wertschätzung, für den kleinen Thron, auf dem wir alle hier und da mal gerne sitzen möchten.

Bei Liebe muss man einfach dranbleiben; das ist Arbeit, die man konsequent jeden Tag leistet. Wenn man da schludert, geht sie im Alltäglichen unter.

Also: Achtet aufeinander, seid füreinander da und habt Freude aneinander. Dann kann man miteinander alt und runzlig werden, ohne dabei biestig zu werden!

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