Die (Un-)Gerechtigkeit der Welt

veröffentlicht von Esmeralda, geändert am , 1 Kommentar
In Manchester hat eine 19-jährige Jurastudentin einem 19-jährigen Mann, der auf dem Weg in den Modelberuf war, eine Sektflasche ins Gesicht geschlagen. Der Modelaspirant erlitt eine Schnittwunde, die bis auf den Knochen durchging und hat nun eine Narbe, die die Karrierepläne durchkreuzt. Dies alles wurde nun vor Gericht verhandelt, die Strafe für die Jurastudentin besteht aus 150 Sozialstunden, 16 Monaten Gefängnis auf Bewährung und der Aussicht darauf, nach dem Studium keine Berufszulassung zu bekommen. Ein Bekannter von mir ist angesichts des Berichts der Daily Mail der Ansicht, dass das "keine Kosequenzen" seien und dass ein Mann, der dasselbe getan hätte, wohl ins Gefängnis hätte gehen müssen. Nun, das kann man so sehen. Ich sehe es anders.

Rechtssysteme sind ein Lotteriespiel; wer in die Mühlen des Gesetzes gerät, kann Glück haben oder eben nicht. Die Strafe, die die Jurastudentin hier erhalten hat, würde in Deutschland wohl nicht dazu führen, dass sie keine Zulassung als Anwältin bekommt - ja, hier könnte sie sogar nach Jugendstrafrecht verurteilt werden und bekäme als Ersttäterin dann vermutlich nur Sozialstunden - und das trotz der Tatsache, dass die Wunden, die der junge Mann davongetragen hat, bleibende Narben hinterlassen werden und dass er Glück gehabt hat, weil die Studentin eben "nur" die Stirn getroffen und dort einen glatten Schnitt durch die Haut hinterlassen hat. An der Schläfe wäre das deutlich böser ausgegangen.

Nach dem, was man dem Artikel in der Daily Mail entnehmen kann, muss der junge Mann wohl mit Freunden in einem Nachtclub gewesen sein. Die Studentin hat ihn wohl beschuldigt, ihre Freundin (oder ihren Freund, Englisch ist da gendergerecht) angerempelt zu haben, was der Mann zurückwies. Die Frau muss ihn dann wohl angewiesen haben, aus dem Weg zu gehen und hat ihn dann zur Seite geschoben und sich die Sektflasche vom Tisch seiner Freunde gegriffen. Daraufhin soll sie ihn nach hinten geschubst haben und ihm die Sektflasche "wie einen Schläger" ins gesicht geschlagen haben.

Das ist nun keine Vorgehensweise, die man von nüchternen, zivilisierten Menschen erwarten würde. Nachtclub, späte Stunde, eine Sektflasche auf dem Tisch - da war wohl keiner mehr wirklich nüchtern. Das enthemmt und bringt in manchen Menschen den schlimmeren Anteil der Persönlichkeit in den Vordergrund.

Der Richter jedenfalls nannte die Gewaltanwendung "außerordentlich extrem"; er muss wohl sehr ärgerlich gewesen sein und kommentierte folgendermaßen: "Die Gerichte behandeln gar zu oft Fälle, in denen Gewalt nachts ausbricht, normalerweise, wenn die Beteiligten zu viel getrunken haben und ein Glas oder eine Flasche als Waffe benutzt wird - eine Waffe gegen den Kopf oder das Gesicht des Opfers und in den meisten Fällen sind die Verletzungen wirklich entsetzlich. Es ist eine Frage puren Zufalls und nichts anderem, dass das Opfer keine extrem ernsten Verletzungen im Gesicht erlitten hat."

Wäre die Strafe anders ausgefallen, wenn da ein Mann zugeschlagen hätte? So, wie ich den Kommentar des Richters lese: Wohl kaum. Wäre sie anders ausgefallen, wenn ein Mann einer Frau die Sektflasche ins Gesicht geschlagen hätte? Möglicherweise - bei exakt denselben Umständen wohl eher nicht. Warum? Weil in Betracht gezogen wird, dass hier junge Menschen im (mindestens) angetrunkenen Zustand zu später Stunde Auseinandersetzungen in einer Weise führen, die ihnen bei Tageslicht nie in den Sinn käme.

Man kann davon halten, was man will. Ich persönlich stehe der Anwendung von mildernden Umständen aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses nicht sehr positiv gegenüber. Aber das tut nichts zur Sache, denn die Dinge sind, wie sie sind. Rechtlich gesehen gab es mit ziemlicher Sicherheit keinen Anlaß zu einer härteren Strafe.

Ich gehe davon aus, dass auch im englischen Recht Strafverfahren getrennt von den zivilrechtlichen Ansprüchen behandelt werden. Will heißen: Der junge Mann, der durch dieses Ereignis gehindert wird, die gewünschte berufliche Laufbahn einzuschlagen kann nach Feststellung der Schuld der jungen Dame zivilrechtliche Schritte einleiten und Schmerzensgeld fordern. Das ist in Großbritannien meines Wissens nach eine deutlich andere Sache als in Deutschland und könnte dafür sorgen, dass die junge Dame für sehr lange Zeit an das erinnert wird, was sie da getan hat.

Außerdem wundert es mich schon sehr, dass Bewährungsstrafen immer wieder als eine Art Freispruch gewertet werden. 16 Monate Gefängnis, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, sind nun wirklich kein Pappenstiel - vor allem nicht, wenn die Verurteilte das erste Mal durch so eine Tat auffällig geworden ist. Ich habe das mit "die braucht nur mal falsch zu parken" kommentiert - was natürlich Quatsch ist, aber auch nur ausdrücken soll, dass die junge Dame für die nächsten zwei Jahre höllisch aufpassen muss.

Sie darf noch nicht einmal im Rahmen einer Auseinandersetzung den Gegner ohrfeigen, wenn er unverschämt wird. Nein, auch das muss nicht dazu führen, dass die Bewährung aufgehoben wird. Aber wenn sie entsprechend betrunken ist und der Geohrfeigte dadurch aus dem Gleichgewicht kommt, stürzt und sich eine Verletzung zuzieht, kann das sein. Und so etwas kann schnell passieren, wenn man nicht ganz nüchtern ist.

Kommentare

Stephan Otto

schrieb am

Verstehe ich das richtig? Da drischt eine Frau einem Mann eine Sektflasche über den Schädel (ich weiss nicht wie englische Sektflaschen gebaut sind, aber die sollten sich nicht groß von deutschen Sektflaschen unterscheiden bezüglich der Schwere des Bodens - ein Wunder das der das überlebt hat, immerhin ist die Flasche dabei zerbrochen) und Ihre Reaktion ist: "Die arme Frau, die darf jetzt in den nächsten zwei Jahren nicht mal mehr jemandem ins Gesicht schlagen ohne gegen die Bewährungsauflage zu verstoßen" ?

(Ich hadere, den Kommentar überhaupt zu posten, denn wenn das tatsächlich Ihre Ansicht ist, ist jede Diskussion überflüssig.)

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