Bitte nicht weitersagen!

veröffentlicht von Esmeralda
Ich will nicht mehr rauchen.

So, jetzt ist es soweit: Ich habe einen Termin bei meiner Hausärztin, denn ich will nicht mehr rauchen. Heiligabend werde ich 42, was bekanntlich ja sowieso eine sehr sinnreiche Zahl ist, und spätestens an diesem Tag will ich so weit sein, dass ich eine Feier genießen kann, ohne den Raum verlassen zu müssen, weil die Sucht ruft.

Das allein wäre vermutlich noch nicht einmal das Problem; ich möchte aber dabei meinen Mitmenschen nicht auf die Nerven fallen und das wird, wenn ich mir die bekehrten Raucher in meiner Umgebung ansehe, schwierig.

Nehmen wir mal meinen Vater. Gegen dessen Zigarrettenkonsum von ca. 60 - 80 Stück "Attika" bin ich mit meinen um die 20 Stück "Marlboro Gold" ein reines Waisenkind. Als mein Vater im zarten Alter von 42 (!) Jahren beschloß, das Rauchen aufzugeben, wog er immer so um die 75 bis 78 kg. Dann klingelte er des nachts (damals ging sowas auf dem Dorf noch) seinen Arzt raus und machte dem die freudige Mitteilung. Der bestellte ihn für den darauffolgenden Tag ein.

Der Arzt empfahl meinem Vater Entschlackungstees und gab ihm Ernährungstipps, weil Leute, die das Rauchen aufgeben, erfahrungsgemäß ja immer ein Stück zunehmen. Substitutionsverhalten nennt sich das. Und also enthielt unser Kühlschrank von Stund' an reichlich saure Gurken und Silberzwiebeln, manchmal auch Mixed Pickels, Sauerkrautsaft, Möhrensaft, Rote-Beete-Saft und ähnlich schmackhaftes Zeug. Mein armer Vater mußte es über sich ergehen lassen, dass die ganze Familie ihm erklärte, er müsse aufpassen, dass er sich nicht erkälte, weil er mit der Nase aus dem Kühlschrank nicht mehr herauskam. Er nahm sprunghaft ca. 20 kg zu, weil saure Gurken und Silberzwiebeln auf die Dauer eher etwas unbefriedigendes haben und wurde folglich von meiner Mutter einer Kartoffeldiät unterzogen (die wurde damals von der "Bunten" propagiert und war tatsächlich gar nicht so schlecht); nachdem es sich nicht gut macht, wenn man einem "Diätanten" Extra-Essen kocht, wurde der Rest der Familie gleich mitunterzogen und ich hatte daraufhin etwa zwei Jahre lang ein etwas gestörtes Verhältnis zu Kartoffeln.

Was aber wesentlich schlimmer war: Als mein Vater das Gefühl hatte, "es geschafft" zu haben, gewöhnte er sich an, allen anderen Rauchern unter die Nase zu reiben, was für ein undisziplinierter Haufen sie doch seien. Und das hat mich die Palme rauf- und runtergetrieben, ehrlich.

Bis auf den heutigen Tag verhalte ich mich rauchenderweise so, dass ich möglichst wenigen Menschen lästig bin. In unserer Wohnung rauche ich nicht, weil mein Mann und unsere Kinder das nicht mögen. Wenn ich bei meinen Eltern oder meiner Schwester zu Besuch bin, verziehe ich mich zum Rauchen auf Balkon beziehungsweise Terrasse. Und von meinem Vater kommt jedes, aber auch wirklich jedes verdammte Mal der dämliche Spruch: "Naaaaa, schmeckt die Lulle?" Nee, überhaupt nicht, würde ich mich sonst in einer Winterjacke in den knöchelhohen Schnee auf dem Balkon stellen? Ts!

Nun, all' dieses will ich, wenn ich es tatsächlich hinkriege, nicht zu rauchen (und die Chancen stehen meiner Ansicht nach nicht schlecht) meinen Mitmenschen nicht antun. Angst habe ich eigentlich mehr vor dem Kühlschrank, denn im Gegensatz zu meinem Vater in jenen Jahren trage ich diverse Kilo zuviel mit mir herum. Und, wie ich vor längerer Zeit schon mal berichtete wäre der depressive Anfall nicht weit weg, wenn mein Gewicht vor dem Komma dreistellig würde. Ich fürchte, dass ich dann vor lauter Frust doch wieder zur Zigarette greifen würde und dann wäre ich fett und rauchte. Entsetzliche Vorstellung! Möge meine Hausärztin mich davor bewahren!

So, und nun werden wir ja sehen, ob ich das gebacken bekomme. Haltet mir die Däumchen und verzichtet bitte darauf, mir unter die Nase zu reiben, dass ich ein Schwächling sei, sollte es doch nicht klappen.

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