Kultur der offenen Bürotür

veröffentlicht von Esmeralda, 1 Kommentar
Was aus unschuldigen Wörtern werden kann, wenn sie nur lange genug benutzt werden

Neulich telefonierte ich mal wieder mit meiner Schwester. Nachdem wir beide alle Klischees erfüllen, die man als Frau so zu erfüllen hat, dauerte das natürlich recht lange und entsprechend viele Themen wurden durchgehechelt. Als wir dann so mit der Kerl-Kinder-Küche-Keller-Stunde durch waren, ging's über den Arbeitsplatz her und da erzählt sie mir doch in der Tat: "Wir pflegen ja die Kultur der offenen Bürotür". Uh. Oh. Wasndas?

"Jahaaa," sagt sie, "wir lassen die Bürotür offen, damit die Kollegen, die eventuell etwas mit uns besprechen wollen könnten, auch keine Hemmungen haben, hereinzukommen. Hochmodern!"

Ja, in der Tat. Das muss man sich eigentlich auf der Zunge zergehen lassen: Kultur der offenen Bürotür. Ich möchte bitte wissen, was der Typ[1], der sich das hat einfallen lassen, vorher geraucht hat, echt. Das ist fast so gut wie die Sache mit dem Auslandskrankenschein!

Ich habe mich auf diesen Wortmissbrauch hin mal ein bißchen umgesehen, wofür die arme Kultur noch so herhalten muss. Die erste Anlaufstation ist bei mir in solchen Fällen die Wikipedia und siehe da: Es gibt in dem Zusammenhang, um den es mir geht, zwei wirklich schöne Artikel zum Thema "Kultur", nämlich die Begriffserklärung und den Artikel über Kultur.

Außerdem gibt es ja immer wieder Menschen, die die deutsche Kultur gern in die weite Welt tragen wollen und unsere Regierung leistet sich sowohl einen Beauftragten für Kultur und Medien als auch eine Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland". Für die, denen das noch nicht genug ist, offeriere ich noch ein Häppchen demokratische Kultur.

Für Arbeitssuchende gibt es den Kultur-Stellenmarkt und auch die Freiwilligen-Kultur darf grundsätzlich nicht fehlen, vor allem in der Jugend- und Sozialarbeit.

Wer dagegen fit bleiben möchte, der surft das Wissensportal für Kultur und Gesundheit an. Wenn das noch nicht genug Fitness ist, dann kann man sich ja bei der deutschen Akademie für Fußball-Kultur weiter informieren. Und - last not least - unterhalten werden will der kultivierte Mensch auch ganz gerne, zum Beispiel mit dem Zwiebelfisch, der auf der 12. Seite der Trefferliste aus mir unerfindlichen Gründen auftaucht.

Daraufhin neugierig geworden, habe ich mich einfach mal nach "Bürokultur" umgesehen. Hier wird's vor allem gemütlich, denn Bürokultur bedeutet im deutschsprachigen Raum vor allem Einrichtung. Man will's ja bequem haben, wenn man schon arbeiten muss.

Allerdings gibt es auch Wissenschaftliches, Fotos von glücklichen Arbeitnehmern, sogar eine Computerflüsterin und selbstverständlich das eine oder andere Seminar. Und im Übrigen weiss sowieso jede Schnepfe über die Bürokultur bestens Bescheid. Oder nicht?

Und zu guter Letzt die Frage, die uns alle bewegt: Sind Satanisten als Teammitglieder in unserer Buerokultur prinzipiell benachteiligt?

Tja, Freunde, mit der Kultur an sich geht es bergab. Da kann man es schon als Kultur bezeichnen, wenn die Bürotür offenbleibt. Ich werde also in Zukunft nicht mehr lachen. Noch nicht einmal dann, wenn an der offenen Bürotür "Culture Club" steht. Versprochen!

[1]Das kann wirklich nur ein Mann gewesen sein. Sorry, Männer!

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