Schule in Bayern - Podiumsdiskussion in Erlangen

veröffentlicht von Esmeralda
Ich habe an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Schule in Bayern" teilgenommen und erzähle hier mal, was für mich dabei herausgekommen ist.

Das Erlanger Jugendparlament hat heute zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Schule in Bayern" eingeladen. Allein dieses Faktum halte ich schon für hochbemerkenswert, denn ich finde es großartig, dass es a) diese Einrichtung in Erlangen überhaupt gibt, dass b) die Jugendlichen im Stadtrat tatsächlich eine Stimme haben und dass c) sie diese Diskussion mit derart illustren Gästen auf die Beine gestellt haben. Hut ab!

Moderiert hat Wolfgang Reichmann, seines Zeichens Moderator beim Bayerischen Rundfunk und die Podiumsgäste waren Karl Freller von der CSU, Wolfgang Vogel von der SPD, Christine Stahl vom Bündnis90/Die Grünen, dazu Jonas Schaller von der Schülermitverwaltung. Die Veranstaltung begann mit einem dreiminütigen Film, der Menschen zeigte, die in Erlangen auf der Straße von einer jungen Dame aus dem Jugendparlament angesprochen und um ihre Meinung zum Schulsystem in Bayern gebeten wurden. Auch wenn jetzt die technische Qualität nicht wirklich bemerkenswert war, der Film selbst war sehr ordentlich gemacht, es war ein schöner Querschnitt durch die Bevölkerung zu sehen und wenn die Meinungsäußerung in einem simplen "Scheiße" bestand, wurde nachgefragt. Fand ich schon mal prima.

Danach durften Jonas Schaller und unsere Landtagsmitglieder ihre Ansichten zum Thema Schulsystem von sich tun. Jonas tat das in erfrischender Kürze, er meint, es gebe einigen Verbesserungsbedarf vor allen Dingen bei der Entschlackung der Lehrpläne, aber auch beispielsweise in der G8-Planung; an seiner Schule ist zwar ein achtjähriges Gymnasium eingeführt und es wurden auch Räumlichkeiten geschaffen, wo die nun zwangsläufig auch nachmittags anwesenden Schüler ein Mittagessen einnehmen können, jedoch ist abzusehen, dass in recht naher Zukunft der Platz dafür nicht ausreicht. Nicht zu reden davon, dass Lehrer wie Schüler von dem nicht wirklich auf die Realitäten zugeschnittenen Lehrplan heillos überfordert sind. Jonas bekommt auch am eigenen Leibe zu spüren, dass Gymnasiallehrer nun mal eine Fachausbildung für ihr Lehrfach haben, die pädagogische Komponente aber leider im Studium sehr unterbewertet wird.

Die Herren und auch die Dame aus dem Landtag haben sich dann natürlich in unterschiedlich heftiger Ausprägung darüber verbreitet, dass es zu wenig Lehrer gibt, dass die Klassen zu groß sind, dass es an Mitteln fehlt, dass Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, dass die Lehrpläne entschlackt gehören und dass ja an allem die schuld sind, die am Regieren sind. Bis auf Herrn Freller, der sich ja in der blöden Situation befindet, dass er in der Partei ist, die am Regieren ist und somit hervorheben musste, dass die CSU ja vieles verändern will (schon seit Jahren, leider passiert nichts) und dass Bayern auf der didactica für sein Schulsystem so sehr viel Lob geerntet habe. Auf Deutsch: Es geht noch schlechter. Als ob wir das nicht wüssten, Herr Freller!

Die eigentliche Diskussion drehte sich in der Hauptsache - wie hätte es anders sein sollen - um das G8, das in Bayern einfach zu hastig eingeführt wurde (das musste sogar unser Herr Freller zugeben). Die Lehrpläne passen einfach nicht zu dem um ein Jahr verkürzten System, Schüler, Lehrer und Eltern verzweifeln leise weinend. Nun, die Lehrpläne sind inzwischen überarbeitet, hoffentlich wird das im nächsten Schuljahr umgesetzt.

Auch die Bemerkung, dass die Eltern von der Schule in die Pflicht genommen werden müssten, stieß auf sehr wenig Gegenliebe. Von meinem Standpunkt aus ist das nur zu verständlich, denn Eltern sehen sich (das ist aber auch nicht erst seit gestern so) dazu genötigt, als Hilfslehrer zu fungieren. Eine Mutter meinte, ihre fünfzehnjährige Tochter komme nachmittags aus der Schule, müsse dann noch büffeln - bei den Themen, bei denen das geht, von der Mutter unterstützt und abends ab 19:00 Uhr, wenn der Vater zuhause ist, dann noch Mathe und Physik. Abgesehen davon, dass die Familie wirklich nicht dafür da ist, Defizite der Schule aufzuarbeiten, bleibt für Freizeitbeschäftigung da keine Zeit mehr, klar.

Dieses Bullshit-Bingo-Argument von den Eltern, die in die Pflicht genommen werden müssen, gehört zu denen, die auch mich aus dem Stand auf die nächste Palme hüpfen lassen. Es ist nämlich in den allermeisten Fällen so, dass man sich diese salbungsvollen Worte zu jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit in der Schule anhören darf. Wenn die Kinder sich schlecht benehmen, müssen die Eltern genauso in die Pflicht genommen werden, wie sie das müssen, wenn die Kinder "keine Leistung" bringen. Normalerweise sind die letzten, die von so etwas erfahren (und dann auch meistens durch irgendwelche schriftlich niedergelegten disziplinarischen Maßnahmen), die Eltern - und die sollen dann "was machen". Wie sich die Damen und Herren Lehrer, die sich üblicherweise eine Einmischung in ihre ureigenen Angelegenheiten energisch verbitten, das dann vorstellen, habe ich bisher noch sehr selten herausbekommen. Üblicherweise wird man gebeten, auf sein Kind "einzuwirken" (was auch immer das sein soll), auf dass eine Besserung herbeigeführt werde. Das einzige, was ich machen kann, ist, dass ich meinem Kind im Falle von schlechtem Benehmen sage, es solle sich in Zukunft in der Schule genauso verhalten wie zuhause. Denn zuhause habe ich zwei zwar manchmal etwas lümmelige, aber ansonsten durchaus wohlerzogene Söhne. Noch surrealer wird es bei schwachen Leistungen. Die haben meistens die Eltern zu bemerken und sich dann beim Lehrer zu melden. Der legt dann die Stirne in Falten, zückt das Notenbuch und setzt dann zur Überbringung der schlechten Nachricht an. Wenn man als Mutter dann sagt "das weiss ich, deswegen bin ich hier. Ich brauche Ihre Unterstützung. Können Sie mir eventuell Zusatzmaterial empfehlen, mit dem ich mit meinem Kind üben kann?", kommt meistens nicht mehr als heiße Luft. Wenn man Glück hat, kann der Lehrer die Schwachpunkte zumindest soweit benennen, dass man in etwa eine Vorstellung davon hat, was man am günstigsten mit dem Kind übt. Um Material für gezieltes Üben muss man sich aber wirklich selber kümmern; es wäre ja auch von einem Pädagogen zuviel verlangt, sich über so etwas auch noch auf dem Laufenden zu halten.

Ich habe ja das Glück, dass meine Kinder auf einer Schule sind, an der es Lehrer und auch einen Direktor gibt, mit denen man reden kann. Das ist viel wert in der heutigen Zeit. Information ist zwar auch dort eine Holschuld, aber wenn es Probleme gibt, dann werden sie auch wirklich bearbeitet. Das aber nur nebenbei.

Es wurde vieles gesagt heute nachmittag, manches hatte Hand und Fuß, anderes noch nicht mal ein Nagelbruchstück - Lösungen konnten keine erarbeitet werden. Das wäre auch ein bißchen viel verlangt gewesen, denn gute zwei Stunden Diskussion können höchstens ein Anfang sein. Was mich gestört hat, war das Phrasengedresche unserer Herren (und der Dame) Politiker, die natürlich auch diese Gelegenheit nicht vorüberziehen lassen konnten, um sich in Szene zu setzen. Wirklich konstruktive Beiträge in diesem Sinne hatten sie nicht anzubieten. Was ich aus diesem Nachmittag mitnehme, ist die Stärkung meiner Ansicht, dass Bildung nicht verwaltet werden kann und darf, dass Bildung nicht allein Lehrersache und Erziehung nicht allein Elternsache sein kann und darf, dass Lehrpläne deutlich flexibler werden müssen als sie das bisher sind - und mit ihnen die Lehrer. Dazu muss noch viel passieren, damit die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern wirklich mal klappt und hier nicht irgendwelche Domänen verteidigt werden, sondern das Wohl des Kindes gefördert wird.

Das Fazit ist das Übliche: Es fehlt hinten und vorn am Gelde. Wir brauchen nicht nur mehr, sondern auch besser ausgebildete und vor allen Dingen motivierte Lehrer. Solche, die Spaß an ihrem Job haben, die Freude am Umgang mit Kindern und jungen Menschen haben, die wissen, wovon sie reden und auch mal einen ungewöhnlichen Weg beschreiten wollen und können, wenn der ausgetretene Frontalunterrichtspfad nun mal nicht gangbar ist.

Wir brauchen Materialien, wir brauchen Ideen und wir brauchen einen frischen Wind in ein System, das schon vollständig verstaubt war, als ich im Jahre des Heils 1984 ausgesprochen erleichtert zum letzten Male das Schultor durchschritten habe. Und das brauchen wir nicht nur in Bayern!

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