What would a Pirate do?

veröffentlicht von Esmeralda, 6 Kommentare
Denkanstöße zum Umgang mit dem Thema "Gleichberechtigung"

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, den Piratinnen keinerlei Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, denn ich bin eine Frau, ich bin Pirat und ich halte einen geschlossenen Raum, innerhalb dessen Frauen sich gegenseitig erzählen, wie sie diskriminiert werden, für absolut überflüssig. Bedauerlicherweise hat die Dame, die diese Initiative angeschoben hat, sich der Presse bedient, um ihren Hunger nach Aufmerksamkeit zu stillen und so geistert das Thema jetzt durch die Medien, Piraten, die sich explizit gegen eine solche geschlossene Liste nur für Frauen aussprechen, werden diffamiert und ausgegrenzt - das geht so weit, dass bereits ein Pirat sein Blog vorläufig geschlossen hat, weil er aufgrund der erfolgten Verbalinjurien tatsächlich Schaden für seine Familie befürchtet. Das zeigt, dass das Ringen um die Gleichberechtigung der Geschlechter immer noch ein hochemotionales Thema ist und dass es wirklich wichtig ist, dass wir alle, ob wir nun Piraten sind oder nicht, uns damit befassen.

Fangen wir mal damit an, dass es Gleichberechtigung heißt und nicht Selbberechtigung. Den Unterschied zwischen den Begriffen "das Gleiche" und "dasselbe" begreifen sehr viele Verfechterinnen der Emanzipation seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar seit Jahrhunderten nicht. Es wäre aber vollkommen unsinnig, wenn man negierte, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Gerade heutzutage, wo die Bedeutung einer Partnerschaft und nachfolgend einer Familie als kleinster sozialer Einheit derart rapide abnimmt, ist es sogar sehr wichtig, diese Unterschiede zu kennen, anzuerkennen und für alle Beteiligten verträgliche Konzepte zu entwickeln.

Es kann nicht angehen, dass eine Frau sich anhören muß, dass sie, falls es in ihrem Betrieb zu einem Personalabbau kommt, vor ihrem männlichen Kollegen die Kündigung erhalten wird, weil sie durch eine Ehe abgesichert sei. Es kann nicht sein, dass Frauen, die nachweislich dieselbe Arbeitsleistung erbringen wie Männer, in diesem Land immer noch deutlich weniger verdienen, eben weil in den Köpfen derer, die die Gehaltseinstufung vornehmen immer noch die abstruse Idee vorherrscht, Frauen würden nur arbeiten gehen, damit sie aus dem Haus kommen, sozusagen als Hobby. Es ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit, dass es immer noch Vorgesetzte gibt, die meinen, dass es die Frauen in der Abteilung sein müßten, die die Teeküchen sauberhalten, die die Spülmaschinen ausräumen, die für Kaffee sorgen - neben der Sacharbeit, die sie zu leisten haben.

Es kann auch nicht angehen, - und das um des Fortbestands der Menschheit willen - dass die spezifischen Eigenschaften von Frauen einerseits als lästig und geldfressend, andererseits als unabdingbar angesehen werden. Wenn jemand schwanger wird, ist das üblicherweise eine Frau. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Leistungsfähigkeit, auf die Strapazierfähigkeit, es ist einfach so. Kinder bekommen ist etwas, was die wenigsten Frauen im Vorbeilaufen erledigen. Abgesehen von der deutlich höheren körperlichen Beanspruchung hinterläßt eine Geburt üblicherweise eine größere offene Wunde, die heilen muß, was den Körper ebenfalls beansprucht - daher die gesetztlich festgelegten Schutzzeiten. Andererseits sind es selbstverständlich die Frauen, von denen erwartet wird, dass sie zuhause bleiben, wenn ihr Kind krank ist. Ich habe neulich erst wieder einen meiner lieben Freunde schwadronieren hören, dass gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutz die Arbeitgeber ja ein schreckliches Geld kosten, dass eine geringere Bezahlung für Frauen seitens der Arbeitgeber deswegen durchaus berechtigt sei und dass die Frauen, wenn sie als gleichberechtigte Arbeitnehmer angesehen werden wollten, ja auf diesen Schutz oder besser gleich auf Schwangerschaften verzichten sollten. Sie könnten ja wählen, ob sie eine Karriere wollten oder eine Familie. Ach, wenn es doch nur so einfach wäre.

In einer Gesellschaft, in der eine Partnerschaft den sozialen Umgebungsbedingungen immer seltener standhält, in der die Ein-Eltern-Familien immer mehr zur Regel werden und in der Väter, die ihre Familien hinter sich lassen, nicht müde werden, über die Kosten zu klagen, die die Trennung verursacht, in der Frauen immer mehr die Verantwortung sowohl für die Erziehung der Kinder als auch für den Unterhalt für die Familie übernehmen müssen, werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir die Kurve in die Gleichberechtigung bekommen. Wir werden einen Weg finden müssen, der für alle gangbar ist.

Das Rollenbild vom Mann als Ernährer und der Frau als Haushälterin ist bedauerlicherweise nicht so überkommen, wie wir oft denken. Das zeigt sich besonders deutlich in dem Moment, in dem Männer Erziehungsurlaub nehmen wollen oder gar zuhause bleiben und sich von ihrer Frau versorgen lassen - das Rollenbild also auf den Kopf stellen. Männer, die so etwas tun, werden üblicherweise von Frauen sehr gelobt, ja. Mir sind aber durchaus Fälle bekannt, in denen Männer, die Erziehungsurlaub genommen haben, einen kräftigen Karrieredämpfer hinnehmen mußten, weil sie als unzuverlässig galten. Auch hier ist ein Diskriminierungsansatz zu sehen, denn Männern wird immer noch Unverständnis zuteil, wenn sie sich vom Kinderarzt krankschreiben lassen, um sich um ein erkranktes Kind zu kümmern oder wenn sie wirklich Erziehungsurlaub nehmen, um sich um ihr kleines Kind zu kümmern. Mir will auch scheinen, dass solche Männer in der Arbeitswelt insofern gefürchtet sind, als sie als "genauso unzuverlässig" wie Frauen gelten, sie bekommen also genau dieselben Diskriminierungsmaßnahmen zu spüren wie Frauen. Letztlich ist es also kein geschlechtsspezifisches Problem, das sich hier auftut, sondern das Problem derjenigen, die sich entscheiden, das Wohl ihrer Familie auf ihrer Prioritätenliste vor das Wohl des Arbeitgebers zu setzen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Menschen, die das tun, vorwiegend Frauen sind (die sich eventuell sogar dazu genötigt sehen), wird das soziale Problem des Zusammenbruchs der Familie als kleinster sozialer Einheit im Staat und aller daraus entstehenden Folgen gern als reines Frauenproblem mißverstanden. In letzter Konsequenz ist das aber einfach zu kurz gedacht - von den Frauen, die sich da mißachtet und diskriminiert fühlen genauso wie von den Männern, die die Sorgen, die sich aus der simplen biologischen Wahrheit, dass es die Frauen sind, die die Babys bekommen, als unbegründet vom Tisch wischen.

Ich habe das alles jetzt nur kurz angerissen, denn die Diskussion dieses gesamten Themenkreises muß ausführlich und unter Einbeziehung aller Beteiligten erfolgen. Unvernünftige Möchtegern-Emanzen, die meinen, sich für diese Diskussion in ausschließlich von Frauen frequentierbare Schutzräume zurückziehen zu müssen, können wir dabei wirklich nicht brauchen. Um die Probleme, die sich aus Diskriminierungen heraus ergeben, lösen zu können, werden alle Beteiligten benötigt.

Und deswegen bin ich sauer auf Lena Simon. Sie hat diese Diskussion durch ihr Verhalten wieder ein Stück schwerer gemacht. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Mein Rat an alle Piraten im Hinblick auf geschlossene Mailinglisten für Frauen oder Männer oder Osterhasen lautet: Laßt ihnen ihre Listen, laßt sie in ihrem Universum allein. Wenn sie irgendwann mit praktikablen politischen Ideen aufwarten können, wird uns allen das zum Vorteil gereichen. Und wenn die Mailingliste dafür genutzt wird, dass die Damen sich gegenseitig vorweinen, wie ungerecht die Welt ihnen gegenüber ist, dann fallen sie wenigstens denen, die wirklich politische Arbeit leisten wollen, nicht auf die Nerven. Wir sollten die tatsächlichen Probleme angehen und eben Gleichberechtigung anstreben.

Mein Name ist Astrid Steinmann. Ich bin Pirat. Ohne "in".

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