Klarmachen zum Gendern?

veröffentlicht von Esmeralda, 5 Kommentare
Warum ich finde, dass die Genderdebatte der Piratenpartei eher schadet als nutzt.

Die Piratenpartei hat zugegebenermaßen einen verschwindend geringen Frauenanteil (ohne jetzt genaue Zahlen zu kennen, denke ich, dass wir auf Bundesebene nicht wesentlich über 10% kommen, wenn überhaupt). Woran mag das liegen?

Ich denke, dass die Themen, für die wir stehen, für eine Vielzahl von Menschen in unserem Land nicht übermäßig interessant sind; das ist eine Verständnisfrage. Welcher Normalbürger befaßt sich schon derart intensiv mit Urheberrecht oder Datenschutz? Otto Normalverbraucher wird mit diesen rechtlichen Themen kaum mal in Berührung kommen – beim Urheberrecht mangels Verstoßes, beim Datenschutz ist es hauptsächlich der Mangel an Wissen. Und was dem Menschen nicht weh- und nicht gut tut, das nimmt er nicht wahr, war schon immer so. Noch schlimmer wird es bei Themen wie Patentwesen, Transparenz und Infrastrukturmonopolen. Kurzum: Unsere Themen betreffen zwar grundsätzlich jeden Bürger unseres Landes – wahrnehmen werden die Menschen das aber erst, wenn sie mit den Konsequenzen aus ihrer Wahrnehmungsverweigerung in Berührung kommen. Das kann noch ein ganzes Weilchen dauern, vornehmlich deshalb, weil die Piratenpartei hier sehr fleißig ist und vieles von dem verhindert, was die Bürger unseres Landes richtig einschränkte. So muß man also unbedingt sehen, dass hier nicht Frauen ausgeschlossen werden, sondern ein großer Teil der Bürger unseres Landes von uns nicht angesprochen werden. Das festzuhalten ist zunächst sehr wichtig, beantwortet aber nicht die Frage, warum es so wenig Frauen in der Piratenpartei gibt.

Um die Risiken zu sehen, die sehr viele Gesetzesentwürfe zu informationstechnologischen Bereichen (Internetsperren, Schülerdatenbank, ELENA) bergen, ist es wichtig, dass man die Technik nicht nur benutzt, sondern eben auch beherrscht. Und da muß man jetzt einfach mal feststellen, dass die Mehrzahl unter den Menschen, die mit dieser Technik spielen, bis sie nachgibt oder kaputtgeht, eben männlichen Geschlechts ist. Frauen nutzen Technik überwiegend, ohne sich groß dafür zu interessieren, was denn so dahintersteckt. Die Gründe dafür sollen hier keine Rolle spielen, mir geht es momentan hauptsächlich um das Festhalten eines Ist-Zustands.

Die Folge ist, dass es überwiegend Männer sind, die Sicherheitslücken entdecken und Fehler in gutgemeinten Ansätzen zur Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung finden. Diese Männer – die einen verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung ausmachen – machen sich darüber verständlicherweise Gedanken und ebenso verständlicherweise wollen sie auf solche Fehler aufmerksam machen. Und auf diese Weise hat Deutschland eine Piratenpartei bekommen, in der es viele Männer und wenige Frauen gibt. Witzigerweise sind gerade die Männer, die sich mit dieser Art von Themen beschäftigen, eher begeistert als entsetzt, wenn dann mal eine Frau kommt, die sich beteiligen will. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Frauen gerade in der Piratenpartei mit Begeisterung aufgenommen werden. Vielleicht kommt daher die genervte Reaktion, wenn diese Frauen dann eben das Thema Gleichberechtigung ansprechen, so nach dem Motto "sagt mal, was wollt ihr denn noch? Wir sind doch froh, dass ihr da seid!". Das ist wirklich ins Blaue geraten, könnte aber ganz gut sein. Es ist definitiv nicht so, dass die Piratenpartei Frauen keine Chance gäbe; wenn wir den sehr geringen Frauenanteil, den wir haben, zugrunde legen und die Tatsache mit einbeziehen, dass die Piraten Quotenregelungen strikt ablehnen, dann gibt es überraschend viele Frauen, die Ämter innehaben, die gehört werden und hochkompetent sind. Ich glaube nicht, dass wir uns in der Hinsicht Sorgen machen müssen.

Deshalb denke ich, dass wir mit einer "Genderdebatte" völlig danebengreifen würden und bin auch dagegen, eine solche innerhalb der Partei zu führen. Ein Gleichberechtigungsproblem haben wir innerhalb der Partei meiner Ansicht nach überhaupt nicht.

Was wir haben, ist das Problem, dass unsere Kernthemen eben Nischenthemen sind und es extrem schwer ist, viele Menschen dafür zu sensibilisieren. Wir haben uns schlicht bei der Kommunikation extrem dämlich angestellt. Wer wissen möchte, was ich meine, der möge doch mal das Parteiprogramm durchsehen und sagen, welcher normalsterbliche Mitmensch, der einen Rechner benutzt, um seinen Schreibkram zu erledigen, ein bißchen zu spielen und ein wenig zu surfen, das bitteschön verstehen soll.

Will heißen: Wir haben ein Kommunikationsproblem. Plakate zu voll, Flyer zu voll, zu viel wollen, zu viel erklären, Leute mit technischen Details schwindlig reden – das ist es, was uns Schwierigkeiten bereitet, unsere Anliegen einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. Wenn das Schlagwort also hieße „Klarmachen zum Kommunizieren“, wäre ich auf der Stelle dabei. Denn wenn wir es endlich fertigbringen, dass wir aufhören, uns in Machtkämpfchen zu verlieren und nach außen transportieren lernen, was die Menschen in diesem Land unbedingt wissen müssen, dann wird der Frauenanteil in der Piratenpartei meiner Ansicht nach sprunghaft nach oben gehen – und wir werden neben Frauen auch viele Parteimitglieder bekommen, die einen Rechner zwar benutzen können, aber sicher nicht beherrschen. Das sind die Leute, die wir erreichen müssen, wenn wir auf lange Sicht als Partei überleben wollen.

Nein, ich will keine "Genderdebatte" und schon gar keine wie auch immer geartete Quote. Was ich will, sind kompetente Menschen: Einen Vorsitzenden, der kommunikationsstark ist, einen Kassenwart, der weiß, wie Buchhaltung geht, Leute, die wissen, wovon sie reden, und das auch so vermitteln, dass nach dem Gespräch die Gesprächspartner ebenfalls wissen, wovon die Rede war. Ob das dann Männer, Frauen oder Mainzelmännchen sind, ist mir vollständig schnuppe.

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