Für Frieden, Umwelt und Gesellschaft

veröffentlicht von Esmeralda
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Die Bundesregierung wird - mal wieder - die Tabaksteuer erhöhen, damit energie-intensive Betriebe weiterhin wenig Ökosteuer bezahlen müssen.

Unsere Bundesregierung braucht Geld. Dringend. Und es ist nicht das erste Mal, dass sie Geld braucht. In dem Fall, um den es mir hier geht, geht es wohl eigentlich darum, die Entlastung der Arbeitgeber von den erhöhten Sozialabgaben zu fördern. Will heißen:

Damit alle Arbeitgeber sich nicht in so hohem Maße an den Sozialabgaben für die Arbeitnehmer beteiligen müssen, wird eine "Ökosteuer" erhoben (die es im Übrigen eigentlich nicht gibt). Der Plan ist also, dass Unternehmen, die energie-intensiv arbeiten und sich nicht (ausreichend) um die Optimierung des Energieeinsatzes in ihren Produktionsprozessen bemühen, dieses schmerzhaft zu spüren bekommen. Grundsätzlich eine charmante Idee. Wenn da nicht die Unternehmen wären, die gern gewinnbringend arbeiten möchten und - Optimierung hin oder her - sehr viel Energie verbrauchen. Diese Unternehmen wären natürlich schlecht dran und müssten eventuell dem Standort Deutschland den Rücken kehren. Deshalb hat man ihnen auch bisher einen großen Teil der sogenannten Ökosteuer erlassen (nämlich 95%).

Das geht jetzt nicht mehr, denn - wie schon eingangs erwähnt - da sind ein paar winzigkleine Finanzierungslöcher zu stopfen. Und damit die gestopft werden können, die betroffenen Unternehmen aber immer noch bestimmt nicht mehr als 25% der eigentlich fälligen Steuer zahlen müssen, muss das Geld eben woanders herkommen. Da haben sich ein paar bestimmt sehr schlaue Köpfe Gedanken gemacht und mal nachgesehen, wer denn garantiert immer zahlt, egal, wie sehr man die Steuerlast erhöht. Und so, wie man schon fündig wurde, als der "Krieg gegen den Terrorismus" finanziert werden musste und dann später, als die Gesundheitsreform so furchbar teuer wurde, wurde man auch jetzt schnell fündig:

Die Raucher; bei diesen Menschen handelt es sich, man mag es kaum glauben, um Suchtkranke. Wir reden also von Menschen, die nicht oder nur sehr schwer in der Lage sind, auf ihr Suchtmittel zu verzichten, das zumindest für über 18-jährige Menschen in der Bundesrepublik frei und ohne nennenswerte Hürden erhältlich ist. Und also verlässt man sich auf das Suchtpotential der gemeinen Zigarette und beschliesst - mal wieder - eine Tabaksteuererhöhung. Aber ist diese Methode des Auffüllens der Kassen wirklich so sicher?

Darüber sind sich die verfügbaren Quellen nicht wirklich einig. Das Umwelt- und Prognose-Institut stellt den Artikel Erhöhung der Tabaksteuer zur Finanzierung des Gesundheitssystems zur Verfügung, dem zu entnehmen ist, dass es gelungen sei, den Tabakkonsum zu senken und dabei die Steuereinnahmen zu erhöhen. An diesem Artikel finde ich den letzten Absatz, ein Update vom 28.07.2010, besonders interessant. Dort steht wörtlich zu lesen: "Trotz des starken Rückgang des Tabakkonsums sind die Steuereinnahmen des Staates aus der Tabaksteuer nicht gesunken. Sie liegen heute rund 30% höher als 1999." Nunja, die Erhöhung wurde 2003 beschlossen, warum man dann wohl die Einnahmen ins Verhältnis zum Jahr 1999 setzt?

Erleuchtung bringt da eine Grafik, die im Wikipedia-Artikel zur Tabaksteuer zu finden ist: Wenn ich richtig lese, was da steht, lag 1999 das Tabaksteueraufkommen bei ca. 11,5 Mrd. Euro; danach ist das Steueraufkommen noch einmal rasant gestiegen auf ca. 14 Mrd. Euro im Jahr 2003. Das Jahr 2004 brachte dann einen kleinen Einbruch, wie nach der Erhöhung nicht anders zu erwarten, dafür lag das Aufkommen in den Jahren 2005 bis 2007 knapp über 14 Mrd. Euro - und damit, richtig, ebenso wie es 2003 schon war, deutlich höher als im Jahr 1999 (wobei ich es dem geneigten Leser überlasse, auszurechnen, ob wir da auf 30% kommen; Dreisatz ist einer meiner echten Schwachpunkte). Ab 2008 jedoch sinkt das Steueraufkommen - woran auch immer das liegen mag - auf das Niveau von 2004, dem Jahr der Steuererhöhung, als die Einnahmen wegen der Erhöhung auf ca. 13,5 Mrd. Euro sanken.

Das heißt auf gut Deutsch: Auch wenn der Tabakkonsum gesunken ist, was ja gesundheitspolitischen Anlass zur Freude bietet, so sind signifikante Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Tabaksteuer offensichtlich nicht erzielt worden. Kein Wunder, dass die jetzige Gesundheitsreform eine wesentlich stärkere Eigenbeteiligung des Versicherten vorsieht und auch niemand mehr im Traume daran denkt, die Mehrkosten, die entstehen, durch eine Tabaksteuererhöhung zu finanzieren. Mit den paar Kröten, die dabei reinkommen, lässt sich kaum etwas finanzieren, weder im Gesundheitssektor noch bei der Minderung der Sozialabgaben.

Die Tatsache, dass unsere Regierung sich Mehreinnahmen durch Tabaksteuererhöhungen verspricht, erklärt auch die wirklich halbherzigen und teils untauglichen Angebote, die zur Suchtüberwindung gemacht werden. Da werden eintätige "ich-will-nicht-mehr-rauchen"-Seminare gefördert, als ob das irgendeinen Nutzen bringen könnte. Das einzige, was dadurch erreicht wird, ist die Stärkung der allgemein verbreiteten Ansicht, dass man nur ausreichend Willensstärke aufbringen müsste, um mit dem Rauchen aufzuhören, als handele es sich dabei nur um eine lästige Angewohnheit und nicht um eine handfeste Krankheit. Die Raucher, die nicht mehr rauchen wollen, stossen folglich auf noch weniger Verständnis für ihre Probleme als die Alkoholiker, für die es Entzugskliniken gibt und deren Krankheitsstatus allgemein anerkannt ist.

Sicherlich gibt es immer wieder Raucher, die trotz der Tatsache, dass beispielsweise Werbeplakate an Bushaltestellen immer noch erlaubt sind und trotz der halbherzigen Entwöhnungs-Trallala-Angebote, die die Krankenkassen da machen, es schaffen, das Rauchen ganz oder zumindest für einen längeren Zeitraum aufzugeben. Es gibt auch Raucher, die auf Alternativen umsteigen - denn die Tabaksteuererhöhung trifft grundsätzlich diejenigen am härtesten, die fertig gestopfte Zigaretten rauchen.

Aus dem, was ich bisher gelesen und gefunden habe, schliesse ich jedenfalls, dass Mehreinnahmen über die Tabaksteuer in dem Umfang, in dem die Mindereinnahmen bei der "Ökosteuer" abzufangen sind, zumindest sehr zweifelhaft und unsicher sind. Unsere Bundesregierung sollte sich wirklich entscheiden, was sie gern möchte: Tabakkonsum konsequent mindern oder erhöhte Steuereinnahmen.

Die weitere Minderung von Tabakkonsum ist meiner Ansicht nach nur zu erreichen durch:

  • konsequentes Verbot der Werbung für Tabakprodukte
  • Abgabe nur in konzessionierten Geschäften
  • ernstzunehmende Suchttherapie-Angebote

Eine signifikante Erhöhung des Steueraufkommens durch Tabaksteuer ist meiner Ansicht nach nur zu erreichen durch:

  • Erweiterung der Werbemöglichkeiten für Tabakprodukte
  • Abgabe wie bisher in Automaten und rund um die Uhr geöffneten Geschäften
  • Abgabe wie bisher auch in Lebensmittelgeschäften, platziert wie "Quengelware"
  • Mindestens teilweise Rücknahme des Rauchverbots in Gaststätten
  • Erschwerung des Zugangs zu Suchttherapie-Angeboten

So, liebe Regierung, nun können Sie sich überlegen, was Sie gerne möchten. Ich wäre nur wirklich dankbar, wenn Sie endlich mal ehrlich mit sich selbst und anderen umgingen: Wenn Sie von den Rauchern wirklich mehr Geld möchten, dann reden Sie bitte nicht so scheinheilig davon, den Tabakkonsum zwecks Gesundheitsförderung senken zu wollen. Raucher werden in dieser Gesellschaft immer mehr ausgeschlossen, sie sind inzwischen deutlich stärker stigmatisiert als beispielsweise Alkoholiker, gelten zum Teil sogar bei Ärzten, die es wirklich besser wissen müssten, als charakterlose Schwächlinge, wenn sie ihre Sucht nicht überwinden können. Wenn Sie das Geld der Raucher wollen, dann sorgen Sie bitte dafür, dass auch Raucher Lokale haben, in denen sie ihre Zigarette rauchen können, sorgen Sie bitte dafür, dass Raucher nicht wegen ihrer Sucht angefeindet werden, sorgen Sie dafür, dass auch Raucher ein gesellschaftlich anerkanntes Leben führen können, ohne auf die Zigaretten zu verzichten, die Ihnen das Geld bringen, das Sie von der Industrie nicht zu fordern wagen.

Oder machen Sie bitte den Rücken gerade, stehen zur Gesundheitsförderung und holen sich die steuerlichen Mehreinnahmen doch bei denjenigen Unternehmen, die die sogenannte Ökösteuer von vornherein zahlen sollten.

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