Konsens
veröffentlicht von Esmeralda, 1 Kommentar
"Konsens" ist ein wunderschönes Wort aus dem Lateinischen. Die Übersetzung ins Deutsche lautet "Einwilligung, Übereinstimmung". Das ist es, was man als Politiker gern erreichen möchte: Die Einwilligung der Menschen, die einen gewählt haben (oder auch nicht) in das, was man (idealerweise für diese Menschen) tut und ihre Übereinstimmung mit den Ansichten, die man als Politiker selbst so hat. Und so suchen deutsche Politiker immer wieder nach einem Konsens, in der fälschlichen Annahme, dass eine Übereinstimmung unter ihnen auch eine Einwilligung des Volkes in ihr Tun bedeuten müsse. Der Konsens wird in der heutigen politischen Sprache gern und oft missbraucht; nachdem ein Politiker ja grundsätzlich unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit nur seinem Gewissen verantwortlich ist, ist es oft genug notwendig, die Parteiräson (auch so ein schönes Wort, als könne eine Partei denken) durchzusetzen, also einen Konsens zu erreichen, der vielfach weniger mit Übereinstimmung zu tun hat als vielmehr mit Gleichschaltung.
Das Wort selbst besteht aus zwei Teilen:
- con, was auf Deutsch "mit" bedeutet und
- sentire, also "fühlen", "meinen", "empfinden", "merken"
Daraus ergibt sich für mich, dass der Konsens eine gefühlsmäßige Übereinstimmung ist. Will heissen: Wer einen Konsens eingeht, tut das nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen. Wenn das nicht dabei ist, dann ist kein Konsens vorhanden. In der Praxis sieht das so aus, dass jedes Thema diskutiert werden kann und soll, dass jeder sagen soll, was er denkt, was er fühlt, was er bemerkt bei der Betrachtung des diskutierten Themas. Jeder sollte darin ernsthaft sein und natürlich auch ernst genommen werden, das ist sehr wichtig.
Wie erreicht der Diskussionsteilnehmer nun, dass er ernst genommen wird? Indem er
- ausschliesslich seine eigene Meinung darlegt
- den anderen Teilnehmern Raum lässt, ihre Meinung zu äussern
- sich ausschließlich in der Sache äussert
- sich nach Möglichkeit auf positives Feedback beschränkt.
Die Liste könnte man vermutlich noch ein Stück verlängern, aber ich lasse es bei diesen Punkten. Wichtig am Konsens ist das Mit-Gefühl, das Wissen darum, dass man angenommen wird und sich äussern darf, ohne Angst vor Miss- oder Verachtung, vor Abwertung oder sonstigen negativen Konsequenzen zu haben. Das ist eine Haltung, die natürlich unter dem Eindruck des eingangs Gesagten schwer einzunehmen ist. Sie ist sozusagen idealtypisch, also das Ideal, das kein Mensch wirklich erreichen wird - weil wir eben Menschen sind und auch Fehler machen, gerade in der Kommunikation.
Wenn ich also von "Konsens" rede, dann meine ich eine wirkliche, empfundene Übereinstimmung aller Beteiligten - auch wenn dabei der eine oder andere sicher zurückstecken muss. Das gehört dazu, das ist Realität: Man bekommt eben nicht immer alles, was man gern hätte.
Solange Politik aber als eine Art Wettbewerb verstanden wird, in dem die besten Angebote gewinnen, wird ein Konsens relativ weit von uns entfernt sein, selbst wenn die Gleichschaltungen, die da erzielt werden als Konsens verkauft werden. Aber ich weigere mich, ein derart schönes Wort aufzugeben, nur weil Menschen, die zu dumm sind, als dass sie wüssten, wovon sie eigentlich reden und Fremdwörter hauptsächlich wegen ihres schönen Klangs benutzen, meinen, sie müssten es verbiegen. Da hole ich doch lieber das Putzzeug aus dem Keller und poliere das Wort wieder schön auf, damit es glänzen kann und seinen Sinn wiederbekommt. ;o)
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Esmeralda
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