Wenn du weniger verdienst, kannst du auch mehr zahlen

veröffentlicht von Esmeralda, 1 Kommentar
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Dass Leasingkräfte mit vielen Nachteilen leben müssen, habe ich ja im Jahre des Heils 2007 bereits angemekt. Inzwischen ist die Botschaft ja auch schon zu unseren öffentlich-rechtlichen Medien durchgedrungen, die ZDF Reporter berichten ja auch schon über die wirklich unhaltbaren Zustände. Jetzt gibt ein deutscher Elektrokonzern der Angelegenheit eine neue Dimension.

Die Tischaufsteller, die neuerdings in der Kantine der Firma Siemens am Standort Erlangen-Mitte zu sehen sind, informieren nicht etwa über das vielfältige Angebot, das den Besuchern dort gemacht wird. Der Text lautet wie folgt:

Information für alle externen Gäste,

d. h. für Mitarbeiter aller externen Geschäftspartner und AÜ-Kräfte, deren Firmen keine entsprechende Nutzungsvereinbarung für die Mitarbeiterrestaurants mit [...] Restaurant Services abgeschlossen haben. Bei Fragen sprechen Sie bitte mit ihrem Arbeitgeber!)

Duales Preissystem

Es gibt Firmen, deren Mitarbeiter unsere Restaurants nutzen dürfen, die sich aber nicht an den R&S-Bereitstellungskosten beteiligen. Wir sind verpflichtet, in diesen Fällen ab dem 01.03.2011 einen Aufschlag von 100% auf die Restaurantpreise zu verlangen. Unsere Kassiererinnen sind berechtigt, die Firmenausweise der Restaurantgäste einzusehen um feststellen zu können, ob der Aufschlag erhoben werden muss.

[...]

Übrigens: Auch Gäste, die sich nicht ausweisen können, müssen den Aufschlag bezahlen.

Unterschrieben ist das vom einem Herrn, der dazu wohl berufen ist; ein Abbild dieses Tischaufstellers liegt mir vor.

Das heisst also, dass die Firma Siemens sich nicht nur recht kräftig am Leasingmarkt bedient, weil man auf diese Art ja so schön die Personalkosten verschleiern kann, nein: Man möchte auch, dass sich die Leasingfirmen an den Kosten für die Bereitstellung der warmen Mittagessen beteiligen. Und weil man die Geschäftspartner ja kaum zwingen kann und andererseits wegen des vom Betriebsrat postulierten Gleichbehandlungsgrundsatzes die Leasingkräfte nicht von der Kantine ausschließen kann, greift man zu dem Mittel, das hier immer wieder schön funktioniert: Leasinggegenstandspingpong.

Die Verantwortung, die Kostenbeteiligung durchzusetzen wird über eine einhundertprozentige Preiserhöhung auf die jeweiligen Mitarbeiter abgewälzt mit der Argumentationslinie: "Wir können nichts machen, wir müssen kostendeckend arbeiten. Wenn ihr, liebe Leasingkräfte euer Mittagessen zu denselben Konditionen haben wollt wie die fest angestellten Siemens-Mitarbeiter, dann redet mit eueren Arbeitgebern, damit diese sich an den Kosten beteiligen. Wenn die (wir erinnern uns jetzt mal kurz: gewinnorientierten) Leasingunternehmen sich an den Kosten nicht beteiligen wollen, sondern ihren Mitarbeitern einfach raten, sich doch für die Mittagspause eine Stulle von zuhause mitzubringen, dann wird der Leasingkraft, die mittags gern eine warme Mahlzeit haben möchte, nichts anderes übrigbleiben, als doppelt so viel dafür zu bezahlen wie der fest angestellte Kollege, der ja zum Ausgleich durchschnittlich ein Drittel mehr verdient als er.

Das, meine Damen und Herren, ist Gerechtigkeit made in Germany.

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