Hysterie hilft nicht weiter

veröffentlicht von Esmeralda, 13 Kommentare
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Nur, weil ein Journalist seinen Bericht jetzt doch noch ins Abendprogramm des Ersten Programms gehievt hat, heisst das noch lange nicht, dass Piraten von ihren Grundsätzen abweichen müssen. Ein Nachtrag zum vorhergehenden Artikel.

Nun hat Herr Hagmann es also geschafft, seinen Bericht so aufzublasen, dass er nicht im regionalen Magazin "Kontrovers" untergeht, sondern die Weihen des Magazins "report" erhält und im bundesweiten ersten Programm gesendet wird. Der Inhalt dieser Beiträge ist sicher nicht sehr angenehm und sicherlich ist es den meisten Piraten peinlich, dass die Partei dargestellt wird, als würde sie Extremisten willkommen heißen. Sehen wir uns also mal an, was da konkret berichtet wurde:

1.) Valentin Seipt aus Freising war mal Mitglied in der NPD. Er ist aus der NPD ausgetreten, vertritt die politischen Ansichten der NPD nicht mehr, hat mit diesen Leuten nichts mehr zu tun, eher im Gegenteil. Er ist in die Piratenpartei eingetreten, vertritt deren politische Ansichten und hat als Kreisverbandsvorsitzender in Freising offensichtlich so gute Arbeit geleistet, dass die Freisinger Nazis sich bemüßigt fühlten, eine Pressemeldung herauszugeben, um der Welt kund und zu wissen zu tun, dass Valentin Seipt mal Mitglied in der NPD war.

2.) Matthias Bahner aus Mecklenburg-Vorpommern war mal Mitglied in der NPD. Er ist aus der NPD ausgetreten, vertritt die politischen Ansichten der NPD nicht mehr, hat mit diesen Leuten nichts mehr zu tun, eher im Gegenteil. Er ist in die Piratenpartei eingetreten, vertritt deren politische Ansichten und hat als Generalsekretär des Landesverbands offensichtlich so gute Arbeit geleistet, dass er für den Kreistag Mecklenburg-Greifswald aufgestellt wurde und von den dortigen Wählern das Mandat erhalten hat.

3.) Der Verein Musikpiraten hat eine Konzertveranstaltung eines Künstlers unterstützt, der seine Musik unter Creative-Commons-Lizenz vertreibt. Dummerweise waren die Organisatoren dieses Konzerts Menschen, die eine Woche vorher Artikel ins Internet gestellt haben, die das totalitäre System der DDR mitsamt der Mauer gut hießen und die Soldaten, die die Grenze zur Bundesrepublik bewacht haben, als Helden bezeichneten. Außerdem wurden auf einem Konzert dieses Künstlers in Neuseeland Spenden gesammelt für eine Organisation, die auf der Terrorliste des Europäischen Rates - nicht aber der UN! - steht. Der Landesverband Hessen hat dazu eine ausführliche Pressemeldung veröffentlicht.

Bis hierhin unproblematisch. Problematisch wird es beim vierten Punkt:

4.) Die Causa Bodo Thiesen, die die Piraten seit Jahren verfolgt. Es liegt dem Landesschiedsgericht des LV Rheinland-Pfalz ein Antrag auf Parteiausschlußverfahren gegen Bodo Thiesen vor und es ist nicht einzusehen, warum dieser Fall nicht endlich bearbeitet und zum Abschluß gebracht wird.

Und das ist alles, was dieser Bericht uns sagt. Es werden in sieben Minuten vier Punkte behandelt, von denen einer tatsächlich kritisch ist; die anderen drei werden durch die Stimme aus dem off so zurechtkommentiert, dass jemand, der nicht weiss, worum es geht, meinen könnte, dass es sich hier um Extremisten handelt; aber nur, wenn er nicht richtig hinhört.

Es gibt Piraten, die daraufhin meinen, sie müßten "etwas unternehmen". Die Vorschläge reichen vom Ändern der Bundessatzung, so dass spezifisch noch darauf hingewiesen wird, dass Rechtsextremismus aber wirklich gar nicht erwünscht sei bis hin zu Leuten, die tatsächlich meinen, sie müßten jedem Mitgliedsantrag hinterhergooglen, um sicherzustellen, dass das potentielle Mitglied nicht einer extremistischen Vergangenheit wegen irgendwo im Netz zu finden sei.

Geht's noch? Hallo, Freunde, wir sind die Piratenpartei! Erinnert ihr euch an das, wofür wir stehen? Für Bürgerrechte, gegen Überwachung! Es kann doch wohl nicht sein, dass nur, weil ein Fernsehmagazin einen Bericht gesendet hat, der kaum vorhandene Tendenzen "aufdeckt", ausgerechnet die Piratenpartei mal so eben anfängt, Leuten ohne Anlaß hinterherzuspionieren! Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Mitglieder der Piratenpartei ernsthaft wollen, dass potenzielle Neumitglieder im Mitgliedsantrag angeben, ob sie vorher schon einmal in einer anderen Partei waren und wenn ja, in welcher. Ohne auch nur den Schatten eines Verdachts zu haben, nur um zu vermeiden, dass irgendwelche Journalisten hingehen und blöde Fragen stellen!

Und es kann ja wohl nicht angehen, dass über diese hysterischen Vorbeugungsmaßnahmenenstrategieüberlegungen in der gesamten Partei das einzige Problem vergessen wird, das tatsächlich vorhanden ist und in diesem Bericht angesprochen wurde: Das Parteiausschlußverfahren gegen Bodo Thiesen, das seit zwei Jahren einfach mal verschleppt wird!

Liebe Piraten: Bleibt ruhig. Wenn jemand extremistische Tendenzen hat, zeigt er das eher früher als später und dann gibt es Maßnahmen, die man ergreifen kann. Wenn jemand aber solche Tendenzen zeigt, dann muss man diese Maßnahmen auch unbedingt ergreifen, so nett der Mensch ansonsten sein mag.

Bitte hört auf, Leute unter Generalverdacht zu stellen, nur weil sie einen Mitgliedsantrag stellen und wirkt darauf hin, dass die Rheinland-Pfälzer die Angelegenheit Bodo Thiesen jetzt aber wirklich angehen und sauber zum Abschluß bringen. Das und nichts anderes wird auf lange Sicht dafür sorgen, dass die Piraten auch weiterhin für das stehen, was sie vertreten.

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