Rede zum Neujahrsempfang 2012 der Piratenpartei LV Bayern

veröffentlicht von Esmeralda, 3 Kommentare
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Manchmal muss man einfach sagen, was man so denkt. Das habe ich heute getan.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Jetzt haben wir schön nach außen geguckt, vielleicht sollten wir auch mal nach innen schauen.

Seit ich letztes Jahr meine zugegebenermaßen recht emotionale Neujahrspredigt geschrieben habe, ist viel passiert. Vor allem sind die Piraten in der politischen Landschaft angekommen. Wir sind tatsächlich schon so anerkannt, dass Satiresendungen Beiträge über uns bringen. Wir werden wahrgenommen, wir werden sogar hier und da ernst genommen. Menschen wählen uns, weil sie uns als authentisch wahrnehmen und uns zutrauen, eine Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken.

Wir haben uns also von der Kleinpartei aus ein paar traumtanzenden Nerds zu einer politische Kraft entwickelt.Medienvertreter berichten über uns - oft besser, mal schlechter, mal verzerrt, meistens korrekt. Damit einher geht die Erkenntnis, dass wir jetzt etwas zu verlieren haben:

Unsere Glaubwürdigkeit und unsere Wahrhaftigkeit.

Marina Weisband schreibt da sehr desillusionierte Worte:

“Man könnte meinen, wenn man Ziel eines medialen Hypes ist, würde gehört, was man zu sagen hat. Dem ist nicht so.”

Und daran müssen wir uns gewöhnen. Über uns wird Bericht erstattet und die jeweiligen Berichterstatter berichten manchmal nicht etwa das, was unserer Meinung nach richtig ist, sondern das, was sie sehen - oder sehen wollen. Ein krasses Beispiel für Letzteres ist der Bericht in der EMMA vom Winter 2011.

Dass mediale Kritik auch einen Eindruck erwecken kann, den wir nicht machen wollen und der uns vielleicht sogar peinlich ist, macht so manchem Piraten Angst. Beispielsweise die "Entdeckung", dass unter damals 12.000 Mitgliedern der Piratenpartei zwei waren, die früher Mitglied in der NPD waren, hat zu einer Diskussion über die Mitgliedsanträge geführt: Es wurde vorgeschlagen, die Mitgliedsanträge so zu ändern, dass jedes potentielle Mitglied angeben muss, ob es einmal Mitglied in der NPD oder in einer ähnlichen Vereinigung war.

Als dann etwas später der Landesverband Nordrhein-Westfalen feststellen musste, dass dort ein bekennender Scientologe Mitglied ist, wurden dort ähnliche Überlegungen angestellt. So vor Aufnahme in die Piratenpartei mal hinterhergooglen und so.

Solche Blüten treibt die Angst. Eventuell ist das der Punkt, an dem wir als Piraten ein gewisses Verständnis aufbringen könnten für die Sicherheitsfanatiker, die eine Vorratsdatenspeicherung und am besten gleich eine lückenlose Überwachung eines jeden Bürgers haben möchten. Abzulehnen ist das trotzdem, denn:

Es ist praktisch nicht möglich, Menschen an dem zu hindern, was sie tun wollen, wenn sie es wirklich tun wollen. Das wissen wir und das weiss jeder, der das Mißvergnügen hatte, in der DDR zu leben. Überwachung und Kontrolle bringen keine Sicherheit. Sie treffen diejenigen am härtesten, die nichts Böses im Sinn haben - und das ist die ganz überwiegende Mehrheit!

Daten, die einmal erhoben und gespeichert sind, können mißbraucht werden. Wer, wenn nicht wir, wüßte, wie gnadenlos Daten mißbraucht werden können, um anderen Menschen wirklich Leid zuzufügen und ihnen zu schaden. Es gibt gegen Datenmißbrauch nur einen Schutz:

Keine Daten erheben!

Die Wurzel dieser Datensammelwut, dieses Bedürfnisses, alles über jeden zu wissen, ist Mißtrauen. Die einzige Methode, um gegen Mißtrauen anzugehen, ist Vertrauen. Das muß man sich erarbeiten und das muss man pflegen. Dazu gehört authentisches Verhalten, die Einhaltung von Zusagen und die ehrliche Äußerung der eigenen Meinungen - selbst dann, wenn man ein Amt oder ein Mandat innehat.

Dazu gehört aber auch die Berücksichtigung der Tatsache, dass andere Menschen ebenfalls Gefühle haben, die man verletzen kann. Ehrlichkeit kann durchaus rücksichtsvoll sein und es ist vollkommen unnötig, die eigene Meinung zu der einzig wahren Wahrheit hochzustilisieren,der sich niemand entziehen darf.

Wichtig ist auch die Fähigkeit, zugeben zu können, dass man sich geirrt hat, dass man von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, dass man etwas nicht weiss oder nicht versteht. Das alles ist Teil der Wahrhaftigkeit und der Ehrlichkeit.

Ich selbst bin in die Piratenpartei eingetreten, eben weil

  • sie nicht propagiert, die einzig wahre Wahrheit zu kennen
  • sie ehrlich zugibt, etwas nicht zu können oder nicht zu wissen
  • sie Irrtum zuläßt als Teil wirklicher Meinungsbildung
  • sie eine wunderbare Plattform für Diskussion bietet, auch wenn es manchmal etwas heiss wird
  • sie nicht verspricht, dass alles gut wird, wenn wir alle 4 Jahre ein Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.

Wir haben Inhalte. Die mögen nun dem einen oder anderen Wähler nicht gefallen. Dann sollte dieser Mensch uns eben nicht wählen. Aber dass wir jetzt anfangen, Diskussionen zu verhindern, weil das Wählerstimmen kostet oder kritische Äußerungen nicht mehr zulassen, weil es einen Beschluß gibt - das darf nicht sein!

Deswegen bitte ich euch heute eindringlich: Redet miteinander! Hört einander zu! Akzeptiert, dass es Menschen gibt, die eine andere Vorstellung von Glück, Zufriedenheit und Freiheit haben als ihr selbst. Fürchtet euch nicht, euere Meinung laut zu sagen und hütet euch davor, den Respekt vor der Meinung anderer zu verlieren. Wo die Kommunikation aufhört, da beginnt ein anstrengender und nutzloser Kampf. Wo dieser Kampf hinführt und endet, das haben uns andere bereits vorgemacht. Ich denke, da, wo der politische Mitbewerb ist, wollen wir nicht hin.

Wir sind Piraten. Wir sind anders. Und das soll auch so bleiben!

Mein Name ist Astrid Steinmann und ich bin Pirat

Wer die Rede gern noch einmal im Video sehen möchte, kann das hier tun: http://www.youtube.com/watch?v=xHCOVaPTPV8

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