Eine Frage der Perspektive

veröffentlicht von Esmeralda
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Die Siemens AG hat die sozialen Netzwerke für sich entdeckt und bietet auf facebook eine Karriereseite an. Das Bild, das darüber prangt, soll ein Spiel mit der Perspektive darstellen, passend zum Slogan "Gute Aussichten. Karriere mit Perspektive." Bedauerlicherweise zeugt dieses Bild - milde ausgedrückt - von unglaublicher Gedankenlosigkeit. Update: Inzwischen wurde das Bild geändert - Mann und Frau haben die Position getauscht. Das macht das Bild jetzt nicht wirklich besser, aber die Aussage verschiebt sich doch deutlich.

Siemens ist einer der größten Arbeitgeber, die es in Deutschland gibt. Derzeit ist das Wort "Umstrukturierung" wieder in aller Munde, was üblicherweise den Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet. Grundsätzlich steht der Konzern inzwischen weder für eine besonders arbeitnehmer- noch für eine übermäßig frauenfreundliche Politik. Da kann ich es gut verstehen, wenn eine Offensive in sozialen Netzwerken gestartet wird - zum Beispiel auf facebook.

Das Bild über der Siemens Job- und Karriereseite spielt mit Perspektive - ähnlich wie beispielsweise der Vorspann der Serie "Danny Lowinski". Während die Macher von Danny Lowinski aber mit eben diesem Vorspann die Siegerqualitäten der Hauptfigur dieser Serie hervorheben, tut die Kopfgrafik der Siemens-Seite das genaue Gegenteil: Man sieht einen Zebrastreifen, neben dem eine Frau liegt, die an den weißen Streifen emporklettert. Daneben ist ein Mann zu sehen, der den Zebrastreifen locker und aufrecht gehend überquert.

Als ich dieses Bild sah, blieb mir schlicht die Spucke weg. Nichtsdestoweniger haben die Macher dieser Grafik unbewußt genau die Realität eingefangen, in der Frauen in der Arbeitswelt leben: Sie verdienen weniger, sie kommen schwerer voran, sie müssen sich vieles erkämpfen, was Männer als Selbstverständlichkeit für sich in Anspruch nehmen.

Das Problem, das wir haben, sind nicht die täglichen kleinen Unverschämtheiten, die sich Menschen leisten. Sexismus ist in meinen Augen genau das, was Siemens hier vollkommen unbewußt aber dafür umso deutlicher aufzeigt: Es ist selbstverständlich, dass Frauen sich mehr anstrengen müssen. Dass sie mehr Leistung zeigen müssen. Dass sie sich mit weniger Anerkennung (vor allem finanzieller Natur) zufriedengeben müssen. Dass die biologische Fähigkeit, Kinder zu gebären, sie gesellschaftlich abwertet. Das ist der Punkt, an den wir müssen. Gegen die täglichen Unverschämtheiten kann man sich abgrenzen lernen, gegen den geminderten Wert ist das praktisch unmöglich.

Die gesamtgesellschaftlich vorhandene Minderbewertung der Arbeitsleistung von Frauen und damit die Minderung des Wertes von Frauen an sich aber ist das, was ich als Sexismus bezeichne. Und das muss endlich aufhören.

Zum guten Schluß sei noch gesagt, dass ich es als Zufall betrachte, dass der Anlaß für diesen Artikel nun ausgerechnet von Siemens kommt. Es handelt sich hier um ein Problem, das sich quer durch die Arbeitswelt zieht - womit Siemens nicht "das Böse schlechthin" ist, sondern nur ein Unternehmen unter sehr vielen, in denen täglich der Wert von weiblichen Arbeitskräften in Zweifel gezogen wird.

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