Sicherheit oder Freiheit?

veröffentlicht von Esmeralda, 3 Kommentare
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Da kam ein Mensch auf Twitter und meinte, mir eine Frage stellen zu müssen, mit der er mir beweisen wollte, dass Sicherheit ein Supergrundrecht sei. Nachdem 140 Zeichen echt zu wenig sind, gibt's dazu jetzt eine Nachdenkerei.

Die Frage, die der Anlaß zu dieser Nachdenkerei ist, lautete wie folgt:

Frage: Kannst du akzeptieren an einem dt. Bahnhof gesprengt zu werden? Dann ist dir Freiheit wichtiger.

Diese Frage geht vollständig am Thema vorbei. Ich kann sie deshalb so nicht beantworten.

Der Mensch ist - als biologisches Konstrukt - so ziemlich das Hinterhältigste, was die Natur je hervorgebracht hat. Sonst hätte er nämlich nicht überlebt. Schaut uns an: Wir sind

  • nicht schnell
  • schlechte Kletterer
  • nicht kräftig
  • nicht besonders groß.

Konsequenz: Für jegliche Form von Raubtier sind wir heute noch vor allem leichte Beute - sozusagen Schnitzel. Dass es trotzdem Menschen gibt, und dann auch noch so viele, liegt daran, dass wir diesen Raubtieren etwas voraus haben: Verstand und Fingerfertigkeit. Wir können uns mit Muskelkraft nicht wehren, deshalb haben wir Gerätschaften entwickelt, die diese Muskelkraft ersetzen. Wir haben seit Jahrtausenden Distanzwaffen, mit denen wir einerseits Räuber abwehren können, andererseits selbst aus dem Hinterhalt heraus Beute machen können. Und das setzt nun einmal Hinterhältigkeit voraus.

Diese an sich sehr effiziente Überlebensstrategie hat aber ihren Preis und fällt uns praktisch täglich auf die Füße. Menschen nutzen die Fähigkeiten, die sie haben, nicht nur, um zu überleben, sondern auch und vor allem, um sich zu erhöhen, also Macht über andere zu erlangen. Die Mittel, die im Laufe der Zeit dafür entwickelt wurden, sind zahlreich; auch die Methode, vermittels Ideologien Mehrheiten hinter sich zu versammeln, die sich aufgrund irgendwelcher Gemeinsamkeiten (Religion, Hautfarbe, Herkunft, etc.) für bessere Menschen halten als die übrigen Menschen, ist nicht wirklich neu. Das Durchsetzen dieser Machtansprüche folgt dem seit Jahrtausenden eingeschliffenen Muster: Hinterhalt, Geheimnis, Herrschaftswissen.

Von daher ist es nicht verwunderlich, dass trotz umfangreichster Überwachungsmaßnahmen immer noch Anschläge verübt werden, Überfälle geschehen, Raub, Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind. Überwachung der gesamten Menschheit kann also nicht die Lösung für dieses Problem sein - und deshalb ist die Frage, ob ich mich für meine Freiheit in die Luft sprengen lassen würde, müßig.

Wer andere Leute in die Luft sprengen will, der wird das tun. Wenn ein Mensch wirklich etwas tun will, dann findet er Wege, diese Tat umzusetzen - und auch Wege, die Überwachung, die gar so lückenlos ist, zu umgehen. Von daher werde ich - wie alle anderen Menschen - akzeptieren müssen, dass mein Leben endlich und damit lebensgefährlich ist. Ich werde akzeptieren müssen, dass ich irgendwann einen friedlichen Tod sterben kann, ebenso wie ich auf der Straße überfahren werden, einen Flugzeugabsturz nicht überleben - oder eben zur falschen Zeit am falschen Ort sein und deshalb einem Bombenanschlag zum Opfer fallen kann.

Totale Sicherheit ist ein Mythos, der dem der ewigen Jugend gleichkommt. Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, müssen wir meiner Ansicht nach Mißtrauen abbauen und Vertrauen aufbauen; das aber wird durch totale Überwachung vollständig verhindert. Totale Überwachung erzeugt Mißtrauen, Denunziantentum, sie bringt das Schlimmste hervor, was der menschliche Charakter überhaupt hervorbringen kann und sorgt genau deshalb für das Gegenteil von Sicherheit. Genau deshalb lehne ich die vollumfängliche Überwachung jedes Einzelnen durch den Staat vehement ab.

Sicherheit ist nur und ausschließlich durch Vertrauen und Verläßlichkeit zu erreichen im Zusammenspiel mit der Sorge für das Wohlergehen aller und der Akzeptanz der Andersartigkeit. Das ist das Ziel, auf das wir hinarbeiten müssen und das ist es, was ich will.

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