Mein Tätigkeitsbericht

veröffentlicht von Esmeralda, 1 Kommentar
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Am Landesparteitag der Piraten in Sonthofen letztes Wochenende habe ich einen Tätigkeitsbericht abgegeben. Für alle, die ihn gern noch einmal durchgehen möchten, poste ich heute den Text.

Liebe Piraten,

was ich im Verlauf des letzten Jahres getan habe, steht im Protokoll. Es war meine Aufgabe, mich darum zu kümmern, dass die Beauftragten haben, was sie brauchen; soweit ich sehe, ist das gelungen. Darüber hinaus habe ich mich um die kleineren Anliegen gekümmert, die so an den Vorstand herangetragen wurden. Dies in der Hauptsache deshalb, weil sie über mich an den Vorstand herangetragen wurden. An dieser Stelle gab es hier und da Probleme, weil Anliegen nicht schnell genug bearbeitet oder beantwortet wurden. Meistens lag es schlicht daran, dass ich mehr Zeit gebraucht hätte, um alles zu meiner Zufriedenheit abzuarbeiten. Manchmal ist auch einfach durch Vergesslichkeit etwas länger liegen geblieben, was schneller hätte erledigt werden können. Insgesamt dürfte aber auch das soweit gut gelaufen sein. Ansonsten habe ich mich um Kleinkram gekümmert, für den sonst niemand Zeit hatte und habe dazu Wahlkampf in Erlangen gemacht, wo ich ja Direktkandidatin war.

Insgesamt empfehle ich wärmstens, von der Übernahme eines Vorstandsamts Abstand zu nehmen, wenn man für ein Mandat kandidiert, Familie hat und gleichzeitig noch einen Arbeitgeber zufriedenzustellen hat; ich hatte - das kann man jetzt Glück oder Pech nennen - Zeit für beides und fand es schon unter diesen recht komfortablen Bedingungen streckenweise sehr anstrengend, beiden Aufgaben gerecht zu werden.

Die Amtszeit dieses Vorstands betrug jetzt etwas mehr als ein Jahr. In der Retrospektive gibt es schon einiges an Kritik, die ich anbringe, denn diesem Vorstand wurde die Aufgabe wirklich nicht leicht gemacht. Wenn ich im Folgenden "ihr" sage, richtet sich das einerseits an eine Minderheit, die durch wirklich beängstigende verbale Gewalt und Lautstärke ihre Interessen durchzusetzen sucht, andererseits an eine durchaus vorhandene Mehrheit aus Leuten, die den Ruf der Partei zu schützen sucht, indem sie versucht, auf leise und diskrete Art dagegen anzugehen - ihr werdet sicherlich identifizieren können, wen ich wann meine:

Die Organisation des Wahlkampfs wurde in die Hände der Bezirke abgegeben; das war an sich eine sinnvolle Idee, weil die Landtagswahl, die ja bezirksweise stattfindet, eine Woche vor der Bundestagswahl stattfand. Es hat sich herausgestellt, dass die Idee trotzdem nicht die beste war, denn die Bezirke haben mit dem PirateStarter die genialste Methode gefunden, sich organisatorisch volle Knäcke ins Knie zu schießen.

Allein die Beschwerden, die an mich herangetragen wurden, weil die Endlosdebatten ums liebe PirateStarter-Geld einerseits nicht zielführend waren, andererseits dafür gesorgt haben, dass die Piratenpartei - sonst für spontane, schnelle Aktionen immer gut - zu einem trägen Koloss mutierte, der kaum mehr in Bewegung zu bringen war, würden mehrere Bücher füllen. Ich habe auch bittere Vorwürfe zu hören bekommen, eben weil wir als Landesvorstand an dieser Stelle nicht despotisch wurden und eingegriffen haben. Allein: Es wäre nicht möglich gewesen. Um so etwas tun zu können, muss ein Vorstand ein vollwertiges Team sein. Das waren wir nicht.

Die Arbeit im Team setzt voraus, dass alle Teammitglieder bereit und willens sind, auf das Ziel hinzuarbeiten, das es sich gesetzt hat. Durch die Wahl, die der Landesparteitag im September 2012 getroffen hat, war beides - Zielsetzung und Zielverfolgung - praktisch unmöglich. Eigentlich hätte das den Anwesenden auch klar sein müssen.

Ihr habt zwei auf vollkommen unterschiedliche Weise sehr starke Persönlichkeiten in den Vorstand gewählt, damit riskiert, dass die Außenwirkung, die von beiden zu erwarten gewesen wäre, sich dadurch aufhebt und gehofft, dass der restliche Vorstand das schon richten würde. Ich selbst habe noch am Tag meiner Wahl in den Vorstand von mehreren Basispiraten aus beiden "Lagern" zu hören bekommen, dass sie mich in der Verantwortung sähen, aus Bruno und Stefan ein Team zu machen, das zusammenarbeitet.

Leute, beide sind erwachsene Männer, die sehr genau wissen, was sie wollen. Und ein Kindermädchen wollten sie beide nicht, das kann ich euch versichern. Deshalb kam es, wie es kommen musste und der gesamte Vorstand hat bitterste Vorwürfe zu hören bekommen als Bruno sich nach Berlin orientiert hat und der Rest des Vorstands sich darauf zurückgezogen hat, jeder seinen Job zu machen. Spinni hat da mehr gemacht als ihren Job, was ich wirklich toll fand.

Teamfähigkeit bedeutet eben nicht, dass man jederzeit mit jedem Menschen im Team zusammenarbeiten kann; wenn die Chemie im Team nicht stimmt, dann wird kein Team aus ansonsten durchaus teamfähigen Individuen.

Ich rate euch, in Zukunft bei der Wahl von Vorständen nicht nur darauf zu achten, wer die mitreißendsten Reden schwingen kann, sondern vor allem genau hinzusehen, inwiefern die Bewerber zusammenarbeiten können, arbeitswillig und - wenn ich mir die Schreihälse in dieser Partei so ansehe - auch shitstormresistent sind. Wenn ihr noch einmal so euphorisch seid, Leute in einen Vorstand zu wählen, die so eindeutig nicht zusammenarbeiten werden können, nur weil sie für sich genommen Begeisterung auslösen, dann wünsche ich euch von ganzem Herzen, dass ihr innerhalb von drei Monaten noch einmal das Geld ausgeben müsst, um auf einem erneuten Parteitag am Ende der Welt neu zu wählen. Vielleicht lernt ihr dann, darauf zu achten, was wirklich wichtig ist für Vorstandsarbeit!

Zielführend ist es auch nicht, wenn man versucht, Leute zu verleumden oder unter Druck zu setzen. Im Verlauf meiner Vorstandszeit sind mir zwei handfeste Verleumdungen von Vorstandsmitgliedern zu Ohren gekommen - und die Urheber dieser wirklich unerhörten Anwürfe haben sehr viel Glück, dass hier von der Erstattung einer Anzeige abgesehen wurde.

Hier ist der nächste Punkt: Wenn ein Vorstand gewählt wird, der euch nicht passt, dann kritisiert gefälligst offen und vor allem sachlich, was zu kritisieren ist, anstatt hinter vorgehaltener Hand übelste Gerüchte zu streuen, die jeglicher Grundlage entbehren, um das nicht-passende Vorstandsmitglied zu zermürben und so zum Rücktritt zu bringen. Ich war, als ich - von mehreren unterschiedlichen Leuten übrigens - nach dem Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte gefragt wurde, das zweite Mal kurz davor, einfach zurückzutreten, weil ich für einen Landesverband, in dem Mitglieder ungehindert derart hinterhältige Nummern durchziehen können, wirklich nicht mehr arbeiten wollte.

Das erste Mal war ich kurz vorm Rücktritt, als ich gelöchert wurde bis zum Umfallen wegen der ESM-Leaks. Das war auch einer der Punkte, die uns das Team praktisch von Anfang an auseinandergeschossen haben. Wenn ein Vorstand eine geschlossene Sitzung abhält, um sensible Themen zu besprechen und dabei auch Persönlichkeitsrechte von Vorstandsmitgliedern berührt werden, dann

Akzeptiert bitte, dass euch das Abstimmungsverhalten und die Begründungen der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht bekannt gegeben werden!

Und vor allem: Erfindet nicht die merkwürdigsten Stories, mit denen ihr dann unter anderem mir kommt, um mir die Information, die ihr wollt, doch endlich noch aus dem Kreuz zu leiern. Und wenn ihr's doch tut und feststellt, dass ihr dabei auf Granit beißt oder dass ich nicht sagen werde, was ihr hören wollt, weil das einfach nicht die Wahrheit ist, dann fangt

verdammt nochmal nicht damit an, mir zu drohen oder übel nachzureden!

Ein Vorstand trifft Entscheidungen; manchmal sind es gute, manchmal weniger gute. Manchmal gefällt eine Entscheidung einer Gruppe, dafür ist eine andere Gruppe zutiefst enttäuscht, vielleicht sogar entsetzt. Es hilft nichts: Entscheidungen müssen hier und da getroffen werden. Wir werden nicht gewählt, um uns wegen "Befangenheit" alle naselang zu enthalten. Wir werden nicht gewählt, um es allen recht zu machen. Wir werden gewählt, um auf den Landesverband zu schauen und die Entscheidungen zu treffen, die in unseren Augen notwendig sind, um den Landesverband als Ganzes möglichst nach vorn zu bringen, mindestens aber nicht untergehen zu lassen.

Wenn sich jetzt dem Landesvorstand die finanzielle Situation des Landesverbands so darstellt, dass wir tatsächlich kurz vor der Pleite stehen, dann ist es

die Pflicht des Landesvorstands, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Fall nicht eintritt!

Wenn dann also unvermutet viel Geld eintrifft und der Landesvorstand beschließt, dieses Geld nicht nach dem üblichen Verteilungsschlüssel an die Untergliederungen weiterzuverteilen, dann ist das eine unpopuläre Entscheidung, die im Wahlkampf sicher niemanden freut, aber ihr dürft euch gewiss sein, dass wir sehr genau wussten, wie wütend ihr sein würdet. Wenn wir das trotzdem getan haben, dann nicht, um euch auszubremsen oder euch zu schaden, sondern

um dem Landesverband das Überleben zu sichern!

Wenn der Landesvorstand sich entschließt, den Antrag einer Untergliederung auf Unterstützung für eine Veranstaltung, die einigen nicht gefällt, anzunehmen, dann mag euch diese Entscheidung nicht gefallen und das könnt ihr ja auch gerne so sagen und kräftig darüber schimpfen. Aber wenn in so einem Fall der

Vorsitzende eines Bezirksverbands Veruntreuung von Parteigeldern unterstellt, ist das eine bodenlose Unverschämtheit!

Ganz am Ende unserer Amtszeit mussten wir noch zwei sehr unpopuläre Entscheidungen treffen; dabei handelte es sich einerseits darum, dass wir zwei Mitgliedern die Fähigkeit, ein Parteiamt zu bekleiden, entziehen mussten, andererseits um das Absetzen des Vorstands des Bezirksverbands Unterfranken. Beide Entscheidungen haben wir nach intensiver Prüfung und vielen, sehr vielen Versuchen, diese Entscheidungen irgendwie zu vermeiden getroffen. Das hat keinen Spaß gemacht und ich versichere euch, dass absolut niemand von uns dabei hämisch gelacht hat.

Solche Entscheidungen trifft kein Vorstand leichtfertig oder vorschnell; solche Entscheidungen trifft niemand gern; solche Entscheidungen sind das Unangenehmste, was ein Vorstand zu entscheiden hat. Meine Bitte an Euch ist deshalb: Unterzieht euer Verhalten immer einer kritischen Prüfung. Verzichtet darauf, beweisen zu müssen, dass ihr im Recht seid und darauf, anderen zeigen zu müssen, wie extrem durchsetzungsfähig ihr seid. Ihr bringt mit so einem Verhalten nicht nur euch selbst, sondern auch den Vorstand, der dann über die Ordnungsmaßnahme zu entscheiden hat, in eine Situation, aus der keine Gewinner hervorgehen können. Selbstdarstellung auf Kosten anderer wird in keiner Gesellschaft Anerkennung finden. Bitte bedenkt das und seht zu, dass ihr dem nächsten Vorstand solche Situationen erspart.

Ich trete heute nicht mehr an. Die Gründe liegen allerdings nicht in den Erfahrungen, die ich im letzten Jahr gemacht habe, sondern schlicht darin, dass ich von März 2010 bis September 2012 Kreisverbandsvorsitzende in Erlangen war und dann eben im letzten Jahr Beisitzer im Landesvorstand. Jetzt möchte ich mich ein Jahr lang an der Basis tummeln und mich um meine Familie und mich selbst kümmern.

Die Arbeit als Vorstandsmitglied hat mir trotz der angesprochenen Kritkpunkte wirklich viel Spaß gemacht und ich denke, ich werde schon irgendwann wieder für ein Amt kandidieren - ihr seid mich also nur temporär los. Ein dickes Dankeschön an Stefan, Spinni, Franz, Mark und Nikki für stets gute und meistens auch sehr schnelle Zusammenarbeit. Und noch mehr Dankeschön an die Beauftragten, die mir die Arbeit sehr leicht gemacht haben, indem sie ganz ausgezeichnete Arbeit geleistet haben.

Ich danke euch allen für eine aufs Ganze gesehen wirklich gute Zeit, viele neue Erfahrungen und dafür, dass ich im Rahmen dieser Tätigkeit feststellen durfte, dass meine Grenzen gar nicht so eng sind, wie ich dachte.

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