Mehr Qualität in Rundfunk und Fernsehen!

veröffentlicht von Esmeralda, 3 Kommentare
Markus Lanz hat Sahra Wagenknecht unhöflich und beleidigend behandelt. Darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Rechtfertigt das jedoch eine Petition gegen ihn? Ich denke nicht, denn diese Petition schießt am Ziel vorbei.

Das Fernsehprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender wird durch Gebühren finanziert, die unabhängig vom Vorhandensein entsprechender Empfangsgeräte erhoben werden. Man könnte diese Gebühr deswegen auch Steuer nennen. Viele Menschen verzichten trotzdem dankend auf den Empfang von Fernseh- und Radioprogrammen, weil die Qualität, die hier angeboten wird, zum Teil wirklich unterirdisch ist. Damit sind wir auch schon bei der Sendung, derentwegen die Gemüter sich so gewaltig erhitzen. Eigentlich ist "Markus Lanz" als nette, kleine Plätscher-Erzählrunde mit Buch- und Filmwerbeblöcken gedacht - eine Talkshow eben. Da tut man sich nicht gegenseitig weh, sondern erzählt Schwänke aus seinem mehr oder weniger freudlosen Dasein. So ist das Konzept, wie der Zuschauer an sich es versteht und so war es vermutlich irgendwann auch einmal geplant.

Nun ist Herr Lanz, so stromlinienförmig er auch aussieht und so schwiegermutterkonform er sich üblicherweise auch gibt, ein ehrgeiziger Mitmensch. Hin und wieder lädt er sich also Gäste ein, die einen politischen Hintergrund haben und nicht wirklich zu seiner offensichtlich stockkonservativen Weltsicht passen. Diese Menschen befragt er dann in recht aggressiver Weise, die sehr an Michel Friedman erinnert, der sich ja auch gerne ohne Not als Grenzverletzer betätigt, um sich selbst als knallharter Journalist zu gerieren oder weil ein Teil der Zuschauer erwartet, dass der Gast verbal abgewatscht wird. Es fühlt sich an, als müsse man als knallharter Journalist möglichst unter der Gürtellinie arbeiten, anders geht es wohl nicht.

Meine Vermutung ist also, dass Herr Lanz meint, dies weise ihn als investigativen Journalisten aus, der gut und gern auch eine politische Talkrunde zu brisanten Themen leiten könne. Naja, irgendwann laufen die Verträge von Herrn Jauch, Herrn Plasberg, Frau Illner, Frau Will und Frau Maischberger ja aus und wenn man sich die "Wetten, dass...?"-Quotendesaster ansieht, muss er ja auch für eine Fortsetzung seiner Präsenz an anderer Stelle im Hauptprogramm sorgen.

Aber zurück zum Thema: Es läuft jedesmal darauf hinaus, dass ein Teilnehmer der Talkrunde von Herrn Lanz (und meistens einem seiner - in diesem Zusammenhang durchaus seelenverwandten - Gäste) verbal schlicht niedergemetzelt wird. Die so abzuwatschenden Gäste bekommen üblicherweise Fragen gestellt, die sie nicht ansatzweise beantworten können, weil Herr Lanz und der fast immer vorhandene seelenverwandte Teilnehmer ihnen ins Wort fallen und die Antworten selbst so geben, wie sie ihnen in den Kram passen. So geschehen wieder einmal neulich mit Sahra Wagenknecht. Insofern ist also nichts Neues passiert.

Was neu ist, ist die Tatsache, dass Leute, die dieses Trauerspiel ganz oder teilweise draußen an den Empfangsgeräten miterlebt haben, sich dagegen wehren, dass solche Szenen rundfunksteuerfinanziert im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dargeboten werden. Wie viele Kommentare habe ich eigentlich gelesen, denen zu entnehmen war, dass der Schreiber für Frau Wagenknecht wirklich nichts übrig hat, sich aber dagegen verwahrt, dass der Moderator einer Talkrunde sich öffentlich derartig aufführen darf? Es waren unzählige.

Der Witz ist: Herr Lanz tut nichts anderes als ein ganz großer Teil der übrigen Moderatoren, die eben politische Gesprächsrunden leiten - nur sehr kondensiert. Kondensiert, weil die Zeit, die ihm für das politische Thema zur Verfügung steht, eben nicht fünfundvierzig oder neunzig, sondern eher fünf bis zehn Minuten beträgt. Genau deshalb fungiert er an dieser Stelle als eine Art Brennglas und zeigt überdeutlich, wie sogenannte Moderatoren gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Manipulation betreiben, tatsächlich Meinung "machen" anstatt Meinungsbildung zu fördern.

Das ist der Punkt, an dem die Petition gegen Markus Lanz vollkommen fehl geht. Ja, dieser Mann ist glattgebürstet, ordentlich und schwiegermuttertraumkompatibel vom stahlharten Haupthaar, das sich auch bei der hitzigsten Diskussion nicht regt bis hinunter zu den blankpolierten Schuhen. Er ist einfach zu gutaussehend, um wahr zu sein und erweckt den Anschein, unerträglich überzeugt von sich selbst zu sein. Da bekommt der Zuschauer an sich schon mal das Gefühl, dass die Arroganz dieses Typen gerne einen Dämpfer bekommen darf. Der Plasberg kann das eh besser und sieht dazu noch so aus, dass der Durchschnittsmensch sich mit ihm identifizieren kann.

Nein. Erstens kann der Plasberg es nicht besser - er hat nur mehr Zeit und kann deshalb vieles laufen lassen, was Lanz nicht laufen lassen kann. Zweitens ist glattgebürstet, gestärkt, blankpoliert und dazu noch hübsch kein Grund, vollendete Blödheit und unerträgliche Arroganz anzunehmen. Auch bei Männern nicht. Markus Lanz könnte eine politische Talkshow problemlos zur Zufriedenheit von Zuschauern und Vorgesetzten leiten - und wäre genauso manipulativ wie diejenigen seiner Kollegen, die das bereits tun.

Wogegen also sollte eine Petition sich richten? Genau: Gegen Manipulation. Echte Diskussion läßt Raum für Meinungsbildung. Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass das im deutschen Fernsehen kaum noch möglich ist. Die meist in Frageform gekleideten Sendungstitel weisen schon darauf hin, welches Ergebnis die Runde erarbeiten und dem meistens müden und nach simpler Unterhaltung gierenden Zuschauer spät abendes serviert werden soll. Wozu soll man sich so etwas noch antun?

Nachrichten, Berichte, Talkshows - das gesamte journalistische Wirken unserer Fernsehschaffenden ist inzwischen vieles, aber nicht mehr objektiv. Öffentlich-rechtliche Sender aber haben die Aufgabe, uns objektiv zu berichten, was ist, damit wir in der Lage sind, uns eine Meinung zu bilden. Sie haben die Aufgabe, uns zu wichtigen Themen die vorhandenen Meinungen darzustellen, auf dass wir uns unsere Meinung bilden können. Fernsehsender, die darauf aus sind, unsere Meinung zu bilden, anstatt die Voraussetzung zur Meinungsbildung zu schaffen, brauchen wir nicht - und die wenigsten Leute möchten das über ihre Rundfunksteuer bezahlen müssen.

Von daher halte ich die Petition gegen Markus Lanz für schädlich, denn sie greift das grundsätzliche Problem nicht auf und zeigt außerdem, wie erfolgreich die Menschen inzwischen dazu erzogen wurden, sich kurz und heftig über einzelne Ereignisse aufzuregen, anstatt die Hintergründe zu sehen, zu bewerten und dann ihre Kritik zu äußern.

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