Von Fahnen, Positionen und Menschen
veröffentlicht von Esmeralda, 2 Kommentare
Heute war das Dreikönigstreffen mit Parteigeburtstagsfeier der Piratenparteien Bayern und Hessen in Würzburg. Auf der Fahrt dorthin wurde natürlich auch der Bundesparteitag in Bochum besprochen und es kam selbstverständlich das sogenannte Fahnengate zur Sprache. Dazu stellte eine der Mitreisenden folgende Frage: »Warum ist denn die Antifa-Fahne so ein Problem?«
Meine Antwort darauf war in etwa dieses (und das habe ich dann auch noch auf der Veranstaltung am Mikrofon von mir gegeben):
Es gibt sie nicht, _die_ Antifa. @heliantje hat das auf Twitter sehr schön ausgedrückt:
DIE Antifa ist ja sowieso der Brüller schlechthin. Als gäbs DIE Antifa. Am besten noch als e.V.? Oder gGmbH? ;)
Das, was unter der Flagge der antifaschistischen Aktion läuft, ist ein Konglomerat aus Menschen, die zwar dasselbe Problem sehen, die Lösung dafür aber vollkommen unterschiedlich zu erreichen suchen. Und es gibt da eben auch einen Anteil, der in der Tat sowohl verbal als auch physisch recht gewalttätig ist. Diese Menschen werden, weil sie tatsächlich Angst verbreiten und sehr einschüchternd auftreten, deutlich mehr wahrgenommen als solche, die sich auf durchaus friedliche Weise dem Faschismus entgegenstellen. Das hat schon in den 70er Jahren angefangen und zieht sich bis heute durch - leider. Das bedeutet, dass die Antifa im Kopf des Durchschnittsmenschen oft genug schlicht als Ansammlung von Menschen, die ihre Meinungshoheit notfalls mit Gewalt durchsetzen, abgespeichert ist. Wenn nun so eine Fahne auf dem Bundesparteitag hängt und dazu auch noch die Fahne der Anarchosyndikalisten, dann wird das von außen so wahrgenommen, als wäre die Piratenpartei tatsächlich der politische Arm der Vertreter dieser Positionen. Das ist - milde ausgedrückt - nicht gut.
Auf diese Erklärung bekam ich die Antwort, dass ja an sich jeder, der sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, wissen müsse, dass es "die Antifa" nicht gebe und dass das sicherlich nicht die Art Organisation sei, als die sie wahrgenommen würde. Das ist vollkommen richtig. Und das Problem ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigen muss, um das auch zu wissen. Das aber ist etwas, was nun wirklich nicht jeder Mensch tut. Es gibt unglaublich viele Leute, die nur das wahrnehmen, was ihnen abends am Fernseher kurz vor den Augen herflimmert - und das auch abspeichern. Dass wir wissen, was "Antifa" eigentlich bedeutet und dass diese Fahne für eine Haltung steht, nicht aber für die Art, in der Meinung durchgesetzt wird, ist gut und schön. Wir können und dürfen das aber nicht als Allgemeinwissen voraussetzen, sondern sollten im Blick haben, was die Allgemeinheit über diese Symbolik weiss.
Wenn wir als Partei für unsere Positionen werben möchten und tatsächlich gesellschaftliche Veränderungen bewirken wollen, dann sollten wir daran denken, dass uns dafür auch Menschen wählen müssen, die sich außerhalb unserer sogenannten Peergroup bewegen und dann müssen wir auch bedenken, dass solche Menschen durch diese Symbolik von uns abgeschreckt werden können. Also sollten wir das tunlichst lassen - so antifaschistisch wir auch sind und so weh das manchem von uns tun mag.
Erschwerend hinzu kommt ein weiteres Argument, das im Verlauf einer anderen Diskussion noch kam und das ich für sehr erwähnenswert halte: Es handelte sich hier um einen Parteitag der Piratenpartei Deutschland. Da sind als Saalschmuck Fahnen der Piratenpartei angebracht - und sonst nichts. Wenn irgendwann einmal ein Redner von einer NGO oder einer anderen Partei eingeladen ist, dann kann man zu Ehren dieses Gastes noch eine Fahne von seiner Organisation dazuhängen - aber ansonsten sollte tatsächlich nur die parteieigene Werbung an den Wänden hängen. Das Argument ist nicht von mir, aber ich finde es valide, also schreibe ich es hier dazu.
Die gesamte Diskussion um die Fahnen, die sich derzeit eben auch zu einer Diskussion um die Antifa an sich entwickelt, wird in einer Art geführt, die zeigt, wie immens wichtig es ist, dass wir in der Sache argumentieren. Hütet euch davor, Menschen abzulehnen. Ich kann Meinungen, Haltungen und Positionen ablehnen. Wenn ich aber einen Menschen kennenlerne, der einmal einer Gruppe angehört hat, die solche Positionen vertritt, das heute aber nicht mehr tut, dann werde ich diesen Menschen nicht wegschicken. Wenn ich einen Menschen kennenlerne, der solche Positionen vertritt und ich merke, dass ich ihm nahebringen kann, warum diese nicht funktionstüchtig für unsere Gesellschaft sind, dann werde ich das tun. Und ich werde immer versuchen, zu verstehen, warum dieser Mensch zu diesen Ansichten gekommen ist. Veränderung stellt sich nicht von allein ein und sie ist auch nicht mit Gewalt oder Ausgrenzung herbeizuführen sondern einzig und allein mit Geduld.
Demokratie ist ein ständiges Schwimmen gegen den Strom, ein Langzeitprojekt, das über mehrere Generationen hinweg läuft und sich mit ihnen verändert. Sie erfordert viel Geduld, viel Toleranz, viel Verständnis und sehr viel Überzeugungskraft. Wir machen Politik nicht, um Recht zu haben, sondern, weil wir eine Gesellschaft haben wollen, in der alle Menschen sich wohl fühlen können und die Erlangung der Meinungshoheit schlicht nicht notwendig ist. Ich bin in eine Partei eingetreten, in der das zumindest Konsens war und ich hoffe sehr, dass das immer noch so ist und auch in Zukunft so bleibt.
Anmerkung: Kommentarfunktion vorläufig deaktiviert wegen Kommentarspam (wer will schon wissen, wo's Viagra gibt?). Ich kümmere mich, sobald ich Zeit habe.
Kommentare
Reka
schrieb am
Ich war nicht auf dem Bundesparteitag der Piraten. Daher habe ich auch nicht gesehen, welche Fahnen dort aufgehängt waren. Wenn eine Antifa-Fahne dort hing, um für die diesbezügliche Position der Piraten zu werben, frage ich mich, ob das auch für Positionen zu anderen Themen gemacht wurde. Hing dort z.B. eine Anti-Atomkraft-Fahne? Oder hat man bewusst diesem einen Thema soviel Nachdruck verleihen wollen, indem man es bei der Antifa-Fahne beließ?
Esmeralda
schrieb am
Meines Wissens nach waren es die Fahnen der Antifa und der Anarchosyndikalisten, sonst keine. Ja, "man" wollte das wohl. "Man" twittert ja derzeit auch seine große Freude und Genugtuung darüber, wie viele Menschen bei der Bombardierung Dresdens ums Leben kamen. Waren ja alles Nazis. Hatten es ja nicht besser verdient. "Man" wähnt sich an dieser Stelle im Recht, "man" diffamiert alle, die das anders sehen als "Faschos", "Nazis" und "Eichmann-Fans". "Man" ist wohl der Ansicht, "man" müsse nicht mehr so tun, als ob man Gewalt ablehne. "Man" scheint zu meinen, "man" habe die Piratenpartei in der Tasche. Wenn "man" sich da mal nicht irrt...
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