Die Sorgen der Menschen

veröffentlicht von Esmeralda, geändert am
Hier ist meine Rede zum Dreikönigstreffen der bayerischen Piraten.

Wir haben uns in letzter Zeit ja häufiger mal anhören dürfen, dass man die Sorgen der Menschen ernst nehmen müsse. Das ist eines der knusprigsten Allgemeinplätzchen, die je gebacken wurden - der Satz läßt sich auf alles Mögliche anwenden, auch und gerade auf die Hirngespinste, die von der sogenannten Pegida-Bewegung derzeit wieder einmal nachgeplappert werden.

Was aber sind denn die tatsächlichen Sorgen der Menschen? Was bringt sie dazu, solchen Rattenfängern hinterherzulaufen, die auf ihren braunen Flöten Lieder spielen, die so sehr ins Ohr gehen?

Seit 10 Jahren gibt es Hartz IV. Seit 10 Jahren sehen sich Menschen in diesem Land einem repressiven Sozial"hilfe"system gegenüber, in das niemand geraten möchte. Seit 10 Jahren leben gerade die Arbeitnehmer, die in den minder bewerteten (weil nicht besonders gut bezahlten) Berufen tätig sind, in der Angst davor, arbeitslos zu werden und in diese Mühlen zu geraten. Seit 10 Jahren funktioniert der "Fordern"-Teil des Hartz-IV-Systems phantastisch, seit 10 Jahren funktioniert der "Fördern"-Teil überhaupt nicht. Seit 10 Jahren wird auch darüber berichtet und die Furcht vor diesem Moloch aus schlecht ausgebildeten, völlig überforderten "Beratern" und schlecht ausgestalteten und völlig an der Realität vorbeigehenden "Maßnahmen" hat Zeit gehabt, sich einzunisten. Gleichzeitig hört man so einiges über Leute, die vom Staat das Geld ja nur so hinterhergeworfen bekämen; das stimmt so nicht, ist aber immer gerne mal einen schönen Aufreger wert, vor allem wenn er bunt bebildert werden kann. Wen wundert's noch, dass sich Pegida bilden kann?

Die deutsche und europäische Asylpolitik ist einfach ein Hohn, die Gesetzgebung dazu schlägt dem Fass den Boden aus. Frontex, my ass! Es wird wieder eine Mauer um uns herum gebaut. Die Berichte sind recht spärlich. Einzelschicksale interessieren nicht, Nachrichtenwert ist erst gegeben, wenn viele - ja, wie viele eigentlich? - egal, Hauptsache viele Menschen ihr Leben lassen beim Versuch, diese Mauer zu überwinden. Wie lange wird es wohl dauern, bis diese Mauern nicht mehr nur dazu dienen, Leute auszusperren, sondern auch dafür sorgen, dass wir, die wir das zum Davonlaufen finden, nicht mehr herauskönnen? Dass diese Möglichkeiten auch bestehen, scheint schon 25 Jahre nach der Wiedervereinigung vollständig in Vergessenheit geraten zu sein.

Trotz Fachjournalisten, trotz Presse, trotz Berichterstattung: Wir verstehen schon lange nicht mehr, was unsere Politiker da eigentlich tun. Wir verstehen die Beweggründe nicht, wir verstehen nicht, wie die Entscheidungen zustande kommen. Das liegt unter anderem daran, dass Entscheidungsgrundlagen der Öffentlichkeit einfach nicht vorliegen - ja, zum Teil noch nicht einmal den Politikern vorliegen, die die Entscheidungen treffen sollen. CETA, TTIP, TiSA - wer weiß schon, was da tatsächlich passiert? Wie frei dieser Freihandel sein soll? Die Verhandlungen finden im Geheimen statt, noch nicht einmal diejenigen, die letztlich unterschreiben sollen, wissen, was da verhandelt wird - und den Vertragstext lesen werden sie mit Sicherheit auch nicht. Und das, obwohl sie genau dafür unser Mandat haben.

So sehen wir uns einem schier unüberwindlichen Berg aus Problemen gegenüber, für die diejenigen, die von uns den Auftrag haben, sich damit zu befassen, keine Lösungen haben und noch nicht einmal in Aussicht stellen, wirkliche, der Gesellschaft dienliche Lösungen zu finden.

Deswegen müssen wir da selbst ran. Deswegen gibt es die Piraten. Das ist unsere Aufgabe. Seid aktiv, zeigt, dass die Ideologien, die von Pegida propagiert werden, hier nicht erwünscht sind. Geht auf die Gegendemos. Aber vergeßt darüber nicht, dass wir vor allem die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass diesen Ideologien der Nährboden entzogen wird und Lösungen da sind, wenn sie gebraucht werden!

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